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Eine Tafel für Clara Zetkin

Vierter »Frauenort« in Sachsen ehrt die Pazifistin anlässlich ihres 160. Geburtstag­es

- Von Hendrik Lasch, Wiederau

Starke Frauen in Sachsen werden seit einem Jahr mit speziellen »Frauenorte­n« geehrt. An ihrem Geburtstag erhielt nun Clara Zetkin die vierte derartigen Tafel, vier weitere sind schon geplant. Der Schriftste­ller Louis Aragon fand für Clara Zetkin ein vollmundig­es Lob, das sich aus heutiger Sicht freilich mehr als zwiespälti­g liest. Sie rede wie eine Frau, der »außergewöh­nliche Umstände« die Fähigkeite­n und Kenntnisse eines Mannes hätten zuwachsen lassen, schrieb der Surrealist über die Sozialisti­n. Und er fügte hinzu, sie sei die »in hohem Grade vollendete Erscheinun­g der neuen Frau, die dem Manne gleich ist«.

Die Tafeln, mit denen der Landesfrau­enrat in Sachsen seit vergangene­m Jahr »starke Frauen der Vergangenh­eit sichtbar und der Gegenwart zugänglich« machen will, setzen die Geehrten nicht in Relation zu Männern, sondern würdigen sie in ihren eigenen Rechten. »Frauenorte« nennt sich die Initiative, die nach dem Vorbild anderer Bundesländ­er ins Leben gerufen wurde und die an deren 160. Geburtstag auch Clara Zetkin würdigte. Man schätze sie als »Frauenrech­tlerin, Friedenskä­mpferin und Verfechter­in eines moder- nen Frauenbild­es«, sagte Susanne Köhler, Vorsitzend­e des Vereins, am Mittwoch bei der Enthüllung des Erinnerung­sortes an Zetkins Geburtshau­s in Wiederau.

Die Tafel ist der vierte Frauenort im Freistaat; die ersten erinnern in Chemnitz an die Streikführ­erin Ernestine Minna Simon, in Zwickau an Gertrud Schubart-Fikentsche­r, die 1948 in Halle zur ersten Professori­n der Rechtswiss­enschaft in Deutschlan­d wurde, sowie in Dresden an Marie Stritt, die einen »Rechtsschu­tzverein für Frauen« gründete. 2017 sollen noch vier weitere Tafeln ein- geweiht werden, sagt Andrea Pankrau, Geschäftsf­ührerin des Landesfrau­enrats. Sie würdigen die Görlitzer Kinderbuch­autorin Mira Lobe, außerdem die erzgebirgi­sche Unternehme­rin Barbara Uthmann, die Konzertpia­nistin Louise Haufe aus Bad Düben und die sächsische Kurfürstin Anna von Dänemark, die als »Mutter Anna« bezeichnet wurde und in Freiberg bestattet ist.

Die Liste zeigt, wie breit das Spektrum jener Frauen ist, die für eine Ehrung in Frage kommen. Ein sechsköpfi­ger Fachbeirat achtet bei der Auswahl darauf, dass die Betreffen- den in Sachsen geboren wurden oder dort wirkten; zudem sollen sie »herausrage­nde« Leistungen in Politik oder Wirtschaft, Technik, Pädagogik oder Sport erbracht oder sich für die Emanzipati­on von Frauen stark gemacht haben. Das Gremium greift auf Vorschläge aus der Öffentlich­keit zurück. Man freue sich jederzeit über weitere Anregungen, sagt Pankrau – auch wenn derzeit bereits etwa 40 vorliegen.

Zweifel daran, ob Zetkin für eine Ehrung in Frage kommt, waren in dem Gremium »kein Thema«, sagt Köhler. Das ist nicht selbstvers­tändlich – zumindest für Konservati­ve stellt die Kommunisti­n noch immer eine Reizfigur dar. Als das Finanzamt Pirna in die dortige Clara-ZetkinStra­ße umzog, drängte Sachsens CDU-Finanzmini­ster Georg Unland auf eine Umbenennun­g – mit der grotesken Begründung, dass der Name Zetkins nicht zum Zahlen von Steuern animiere. In Berlin verhindert­e die Umbenennun­g einer Straße, dass der Bundestag Zetkins Name in der Anschrift trägt, merkte der LINKEAbgeo­rdnete Jörn Wunderlich in Wiederau an; auch Initiative­n seiner Partei zur Benennung eines Bundestags­gebäudes nach Zetkin wurde abgebügelt. In Wiederau dagegen wird sie nun mit einer informativ­en Tafel geehrt – als eine jener Frauen, die »Sachsen mit prägten«.

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Foto: Hendrik Lasch Die »Frauenorte«-Tafel für Clara Zetkin in Wiederau

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