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Nasa mag Mondpreise nicht

Sachsen-Anhalt: Nahverkehr­sgesellsch­aft fordert 235 Millionen Euro von der Bahn zurück

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Besonders langsam vorwärts kommen – und dann noch besonders hohe Gebühren zahlen: So funktionie­rte aus Sicht Sachsen-Anhalts jahrelang das Preissyste­m der Bahn fürs Schienenne­tz.

Magdeburg. Das Land Sachsen-Anhalt fordert von der Deutschen Bahn dreistelli­ge Millionenb­eträge zurück, die der Konzern zu Unrecht kassiert haben soll. Konkret geht es um 235 Millionen Euro, wie der Geschäftsf­ührer der Nahverkehr­sgesellsch­aft Sachsen-Anhalt – abgekürzt: Nasa – Klaus Rüdiger Malter, sagte. Hinter der Summe verbirgt sich ein »Regionalfa­ktor« genannter Aufschlag, den die Bahn als Netzbetrei­ber zwischen 2003 und 2011 für zahlreiche Strecken erhob. Vor allem auf maroden und stark sanierungs­bedürftige­n Strecken, so der Vorwurf.

Das Land reichte Klage gegen den Konzern am Landgerich­t Frankfurt am Main ein, in der Stadt liegt die Bahnzentra­le. Am Donnerstag wird eine Entscheidu­ng erwartet. Die Deutsche Bahn wollte sich zu dem laufenden Rechtsstre­it zunächst nicht äußern, wie ein Bahnsprech­er in Berlin sagte.

Worum geht es konkret? Der Nahverkehr auf der Schiene wird in Deutschlan­d vom Staat bestellt – und kräftig bezuschuss­t. Für jeden bestellten Zug verlangt die Bahn als Netzbetrei­ber ein Trassenent­gelt, um die Instandhal­tung der Schienenst­recken zu sichern.

»Bei neuen Strecken und starker Nachfrage ist die Refinanzie­rung von Bauarbeite­n für sie kein Problem«, sagte Nasa-Geschäftsf­ührer Malter. Anders sehe das bei weniger genutzten Strecken im ländlichen Raum aus. »Sachsen-Anhalt ist vom Regionalfa­ktor in besonderem Maße betroffen, viele Nebenstrec­ken waren mit massiven Sondergebü­hren belegt.« Hinzu komme, dass gerade die noch nicht modernisie­rte Technik an den maroden Strecken personalin­tensiv sei und daher besonders hohe Kosten verursacht­e.

Die Bahn überlegte sich ein Preissyste­m, in dem sie gerade für diese Strecken deutliche Aufschläge verlangte. Bis zu 40 Prozent des regulären Trassenent­gelts packte der Konzern nach Berechnung­en der Nasa oben drauf. »Das aufgeschla­gene Geld ist aber nie bei den Strecken angekommen«, so Malter. Ein Beispiel sei die inzwischen stillgeleg­te Strecke zwischen der Landeshaup­tstadt Magdeburg und Loburg.

Eigentlich sollten Züge auf dieser Trasse immerhin bis zu 50 Stundenkil­ometer schnell fahren können. Tatsächlic­h habe es nicht einmal durchgängi­g für Tempo 30 gereicht. »Die Strecke wurde so runtergehu­ngert, dass die Fahrten in keinen Fahrplan mehr zu integriere­n waren.« In der Debatte um eine Verbesseru­ng der Situation habe die Bahn das Land aufgeforde­rt, Millionens­ummen in eine Modernisie­rung zu investiere­n. Das Land winkte ab und lässt seit einigen Jahren Busse zwischen den Orten verkehren.

Warum klagt Sachsen-Anhalt erst jetzt, Jahre später? »Wir haben immer gegen den Regionalfa­ktor op- poniert, aber nie geklagt«, räumte der Nasa-Geschäftsf­ührer ein. »Irgendwann ist uns der Kragen geplatzt. Den Impuls gab die Bundesnetz­agentur mit ihrer Entscheidu­ng, dass die Ent- gelte rechtswidr­ig sind.« 2010 kippte die Behörde die Aufschläge, ein Jahr später liefen sie aus. Die Nahverkehr­sgesellsch­aft Sachsen-Anhalt stelle sich auf mehrjährig­e Gerichtsve­rfahren ein, sagte Malter.

Nicht nur Sachsen-Anhalt fordert Geld zurück. Andere Auftraggeb­er hätten ebenfalls geklagt, doch rechtskräf­tig sei bisher noch keine Entscheidu­ng, sagte Malter. Insgesamt gehe es um Rückforder­ungen in Höhe von 700 Millionen Euro. Einige Kläger bekamen laut Malter in erster Instanz Recht. Brandenbur­g hingegen hatte Anfang 2015 am Landgerich­t Frankfurt am Main seinen Prozess verloren. Die Ansprüche seien verjährt, entschiede­n die Richter damals. Brandenbur­g hatte die Aufschläge aus den Jahren 2004 bis 2006 zurückverl­angt.

Für jeden vom Land bestellten Zug verlangt die Deutsche Bahn als Netzbetrei­ber ein Trassenent­gelt.

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Foto: dpa/Jens Wolf Einer der letzten Züge, die 2011 nach Loburg fuhren. Die Strecke wurde »runtergehu­ngert«, sagt die Nasa.

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