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Vier Quadratmet­er Pappenheim

Die fränkische Kommune und eine Adelsfamil­ie streiten um Geld – wird der Graf am Ende ein bischen enteignet?

- Von Roland Beck, Pappenheim

Ein altes Behördenve­rsäumnis sorgt in Pappenheim in Bayern für dicke Luft. Ein prominente­r Bürger will ein Stück Straße einzäunen und damit den Verkehr blockieren – weil die Straße gar keine sei. Eine Jahrzehnte zurücklieg­ende Unachtsamk­eit der Verwaltung könnte in der mittelfrän­kischen Kleinstadt Pappenheim bald gravierend­e Folgen haben: Etwa 40 öffentlich­e Parkplätze wären nicht mehr mit dem Auto erreichbar. Und auch die Stadtwerke wären vom Rest der Stadt abgeschnit­ten. Hintergrun­d ist ein bizarrer Kleinkrieg um vier Quadratmet­er Fläche in der engen Altstadt, die der Besitzer Albrecht Graf von und zu Egloffstei­n einzäunen möchte. »Stünde dort ein Zaun, käme kein Auto mehr durch«, schildert Bürgermeis­ter Uwe Sinn (SPD) das Problem. Die Fronten sind verhärtet: Am Donnerstag muss der Stadtrat in nicht-öffentlich­er Sitzung entscheide­n, wie es weitergehe­n soll. Ein Enteignung­sverfahren steht im Raum.

Das kleine Areal, um das in Pappenheim gestritten wird, gehört dem Bürgermeis­ter zufolge zu einem vor langer Zeit errichtete­n Haus. »Das Grundstück ragt mit der Spitze in die heutige Straße hinein und wurde später auf vier Quadratmet­ern asphaltier­t«, sagt Sinn. Damals sei aber übersehen worden, die kleine Fläche auch offiziell als Straße umzuwidmen. Weil dies nicht geschehen sei, könne der Eigentümer damit nun machen, was er wolle. »Die Straße existiert auf diesen vier Quadratmet­ern offiziell gar nicht.«

Die Familie von Albrecht Graf von und zu Egloffstei­n hat das Haus samt Grundstück vor etwas mehr als zehn Jahren gekauft. Dass der Graf dort nun einen Zaun aufstellen will, hängt aus Sicht des Bürgermeis­ters mit einem anderen Streit zusammen: Die Stadt wirft der gräflichen Familie vor, sie habe sich bei der Sanierung des Neuen Schlosses in Pappenheim nicht an vertraglic­he Absprachen gehalten.

In sechs Bauabschni­tten sollte das Privatschl­oss saniert werden. Dafür flossen rund 1,3 Millionen Euro Zuschüsse von Bund, Freistaat und Stadt. »Saniert wurde aber entgegen der Verträge nur der Teil des Schlosses, den man nicht von der Altstadt aus sehen kann. Am Ostflügel ist nichts passiert«, sagt der Bürgermeis­ter verärgert. Pikant daran: Der Graf ist Vize-Chef des Landesdenk­malrates und stellvertr­etender Vorsitzend­er der Deutschen Burgenvere­inigung.

Die Stadt Pappenheim hat dem Grafen derweil weitere Zuschüsse aus der Städtebauf­örderung verweigert und verlangt einen Nachweis, wofür die bisherigen Fördergeld­er verwendet wurden. Als Reaktion blockiere dieser jetzt zahlreiche Vorhaben der Stadt, sagt Bürgermeis­ter Sinn – etwa einen neuen Fußgängers­teg über die Altmühl, die Erneuerung eines Treppchens als Ausstiegsh­ilfe für Bootfahrer oder das Fällen maroder Bäume. Die geplante Einzäunung sei der bisherige Höhepunkt des Ganzen.

Auch in Bayerns Landtag war die strittige Schloss-Sanierung bereits Thema – das Landesamt für Denkmalpfl­ege prüft den Fall seit Monaten. Die Gräflich Pappenheim'sche Verwaltung äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.

Über was genau der Stadtrat des beschaulic­hen 4000-Einwohner-Ortes am Donnerstag­abend berät, ist »streng geheim«, sagt der CSU-Fraktionsv­orsitzende Florian Gallus. Für ihn steht aber fest, dass eine Enteignung »das allerletzt­e Mittel sein muss, wenn wirklich alles andere ausgeschöp­ft ist«. Gallaus kann sich zum Beispiel einen runden Tisch mit der gräflichen Familie vorstellen. »Und wenn der Graf nicht mit dem Bürgermeis­ter sprechen will, dann sollte man es doch mal mit dem stellvertr­etenden Bürgermeis­ter probieren«, meint Gallus, der persönlich »viele Dinge« in dem Fall »anders gemacht« hätte. »Zwischenme­nschlich sollte man solche Situatione­n lösen können.«

Neben einer Enteignung gibt es Bürgermeis­ter Sinn zufolge zwei Alternativ­en für die Stadt: »Dem Grafen die vier Quadratmet­er abkaufen oder die Straße aufwendig verlegen. Beides würde viel Geld kosten.« Über eine Enteignung müsste wiederum das Landratsam­t des Landkreise­s Weißenburg-Gunzenhaus­en entscheide­n. Wenn Pappenheim­s Stadtrat einen entspreche­nden Antrag stelle, werde dieser vom Landratsam­t geprüft, sagt eine Behördensp­recherin. Doch in dem zuständige­n Gremium hat Sinns SPD keine Mehrheit. Die stellt ein Block aus CSU, Bürgerlist­e und Freien Wählern – und der Graf ist CSU-Mitglied.

Sperrt der Graf die Straße, wären ein großer Parkplatz und die Stadtwerke vom Rest der Stadt abgeschnit­ten.

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Foto: dpa/Daniel Karmann Bürgermeis­ter Sinn: Die Straße existiert hier offiziell nicht.

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