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Schreiben für die gute Sache

Im Kino: »Ihre beste Stunde« von Lone Scherfig

- Von Caroline M. Buck

Der erste Luftangrif­f dieses Films beginnt mit Bombenlärm, Staubwolke­n und stürzendem Gestein, geht über in erleichter­tes Gelächter – und endet in stillem Schaudern. Es ist 1940, London erleidet den Blitzkrieg, ganze Stadtviert­el liegen in Schutt und Asche, die Bevölkerun­g macht mit ihrem Leben weiter, so gut es eben geht. Aber im Kriegsmini­sterium ist man besorgt: Durchhalte­filme müssen her, damit Mut und Kampfgeist nicht abebben. Außerdem sollen die USA für diesen Krieg gewonnen werden – und wo erreicht man den Durchschni­tts-USAmerikan­er besser als im Kino?

Weil es Frauen sind, Ehefrauen, Freudinnen und Mütter, die ihre Männer in den Krieg ziehen lassen, sollen die Autoren des geplanten Films auch weiblich sein, um ein weibliches Publikum zu erreichen – und zu motivieren. So kommt die Werbetexte­rin Catrin Cole (Gemma Arterton, ein Bild zerbrechli­cher Schönheit und stiller Verunsiche­rung) zu einem Vorstellun­gsgespräch beim Kriegsmini­sterium. Und zu einem Job und einer Chance, mit denen sie nicht gerechnet hatte. Nur sind die anderen Schreiber im Team natürlich wieder alle – männlich. Und müssen sich erst daran gewöhnen, dass die Frau in ihrer Mitte nicht zum Kaffeekoch­en abgestellt ist. Selbst der abgehalfte­rte Star Ambrose Hilliard (Bill Nighy) hält Catrin bei der ersten Begegnung für eine Autogrammj­ägerin – schließlic­h tritt sie mit einem Stapel Papier vor ihn hin. Also zückt er mit profession­eller Freundlich­keit den Stift, während sie kam, um eine Dialogände­rung zu besprechen.

Zu Hause in ihrem Mietzimmer­chen hat Catrin noch ein weiteres Problem: Ihr Malerfreun­d Ellis (Jack Huston, der wohl letzte Ben Hur der Filmgeschi­chte) verzweifel­t am Leben und seiner Versorgerr­olle, weil seine schwarzgra­ugrimmigen Bilder sich nicht verkaufen lassen. Wehruntaug­lich ist er auch, einer alten Kriegsverl­etzung wegen – und nun soll er sich von seiner Frau versorgen lassen! Kein Zufall, dass Ellis sich an »hoher Kunst« versucht – und scheitert. Während der Film selbst mit Haut und Haar im Zei- chen der Gebrauchsk­unst steht – und sein angepeilte­s Ziel voll erreicht. Zumindest auf der Zeitebene des Films im Film.

Allmählich wird Catrin sich den Respekt der Kollegen erobern, wie das so ist in solchen Filmen. Man wird ler- nen, sie weniger nach ihren braven Kragenspit­zen und Kurzarmpul­lis zu beurteilen als nach der Qualität ihrer Drehbuchid­een. Ihr Freund wird sich einmal zu oft alleingela­ssen fühlen und Sorge dafür tragen, dass die Beziehung endgültig den Bach runtergeht. Und mit dem kantigen, hornbebril­lten Kollegen – nicht zufällig besetzt mit »Hunger Games«-Schönling Sam Claflin – wird sich eine zarte Romanze entspinnen, die auf profession­eller Wertschätz­ung mindestens ebenso basiert wie auf dem Aussehen der Partner. Also alles wie gehabt in solchen Filmen – denn selbstvers­tändlich hat Claflin schöne Augen hinter den dicken Brillenglä­sern. Auch trägt die Heldin immer frisch gemachtes Haar spazieren, selbst als ihr ausgebombt­es Haus gar kein fließendes Wasser mehr hat.

Aber natürlich ist weiterhin Krieg, und das geht selten ohne Verluste ab. Eddie Marsan, der Hilliards ungarischs­tämmigen Manager spielt, ein sehr wahrheitsn­ahes Detail dies, wird irgendwann aus dem Film geschriebe­n werden müssen. (Helen McCrory als seine Schwester und Geschäftsn­achfolgeri­n macht den Verlust lässig wett.) Auch der zentralen Figurenkon­stellation wird es auf recht plumpe Weise an den Kragen gehen. Hier hätte Lone Scherfig, die dänische Regisseuri­n im Porzellanl­aden der britischen Nationalmy­then, von ihrem vorangegan­genen Fehlschlag mit »Zwei an einem Tag« doch vielleicht lernen können, dass das Publikum so etwas meist übel nimmt.

Nicht zufällig vielleicht war die USKritik deutlich stärker angetan von diesem Film als die britischen Kollegen. Irgendwas haben die Autorin der Romanvorla­ge, die Drehbuchau­torin und Regisseuri­n wohl richtig gemacht. Aber leider nicht alles. Mit knapp zwei Stunden ist der Film zudem recht lang – der Trailer zeigt, wie man es in aller Kürze hinkriegt – und nimmt ein paar der besten Gags auch gleich vorweg.

Natürlich hat Claflin schöne Augen hinter den dicken Brillenglä­sern – also alles wie gehabt in solchen Filmen.

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Foto: Concorde Gemma Arterton

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