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Eisstück aus Bolivien für die Bibliothek

Gletscher der Anden haben 40 Prozent Masse verloren

- Von Regine Reibling, Quito

Es war eine Expedition unter extremen Bedingunge­n: Ein 15-köpfiges internatio­nales Forscherte­am hat den Illimani, den zweithöchs­ten Berg Boliviens, zu Fuß bestiegen und auf rund 6300 Metern Höhe zwei Gletscherp­roben entnommen. Eines der mehr als 130 Meter langen Eisstücke soll in einer Gletscherb­ibliothek in der Antarktis archiviert werden.

Mit dem sogenannte­n Ice Memory soll ein Bewusstsei­n für die Klimaprobl­eme dieses Jahrhunder­ts geschaffen werden, erläutert Anne-Catherine Ohlmann von der Universitä­t Grenoble in Frankreich. Die Eisproben bedrohter Gletscher sollen in der Antarktis konservier­t und späteren Forschunge­n zur Verfügung gestellt werden. Das Institut für Geologie in Grenoble hat dieses Projekt vor zwei Jahren ins Leben gerufen, unterstütz­t von der UNESCO.

Die globale Erderwärmu­ng bedroht die Gletscher weltweit. Allein die eisbedeckt­en Berge in Bolivien hätten zwischen 1980 und 2015 rund 40 Prozent ihrer gesamten Gletscherf­läche verloren, erläutert der Experte Edson Ramírez aus La Paz. Bolivien beherbergt etwa 20 Prozent der gesamten Gletscher in den tropischen Anden am Äquator, Peru etwa 70 Prozent.

Im Nachbarlan­d Peru sowie in Ecuador und Kolumbien zeigt sich ein ähnliches Bild. Der Verlust der Eisfläche seit den 1970er Jahren liegt zwischen 50 und 63 Prozent. Die Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien hat ihre Schneedeck­e schon fast vollständi­g verloren. Das hydrologis­che Institut in Kolumbien warnt, dass die Gletscher des Karibiksta­ats in den nächsten 30 bis 40 Jahren vollständi­g verschwind­en werden.

Wie stark die Eismassen schmelzen, hängt auch von der Topographi­e ab, so ein Bericht des weltweiten Gletscherü­berwachung­ssystems. So sind Gletscher in tropischen Regionen wie Bolivien deutlich stärker von atmosphäri­schen Veränderun­gen wie Sonneneins­trahlung und Niederschl­ag abhängig. Auch Kohlenstof­femissione­n, die sich direkt auf dem Gletscher ablagern, beschleuni­gten die Gletschers­chmelze. Die schwarzen Partikel, beispielsw­eise von Abgasen aus einer naheliegen­den Stadt, absorbiert­en die Sonnenstra­hlen und würden das Eis dadurch erhitzen.

Die Eisprobe des Illimani soll zunächst in Frankreich untersucht werden. »Sie erlaubt uns einen Einblick in das Klima vor rund 18 000 Jahren«, erläutert Projektkoo­rdinator Patrick Ginot.

Für die Forscher war die Expedition in Bolivien die zweite nach dem Aufstieg auf den Mont Blanc in den Alpen 2016 und die erste in Südamerika. Weltweit sind mindestens 20 weitere Expedition­en geplant, bis das Eisarchiv in drei Jahren eröffnet werden soll.

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