nd.DerTag

Zweckmäßig

- Tom Strohschne­ider über die Eskalation in Hamburg

Die Polizeifüh­rung hat eine Demo gesprengt und bewusst eine Eskalation in Gang gesetzt. Das ist nicht die Version von irgendwelc­hen Linken. Wer noch in der Lage ist, abseits behördlich­er Mitteilung­en nach Wahrheit zu suchen, weiß das. Der Zweck der Hamburger Eskalation: die von Anfang an mit politische­r Rückendeck­ung verfolgte Strategie des Ausnahmezu­stands zu legitimier­en.

Ob riesige Sperrzonen in der Stadt, ob an den Haaren herbeigezo­gene Schlafverb­ote, ob das Aussortier­en »gefährlich­er«, weil linker Anwälte: Die Polizeifüh­rung hat nicht »unseren Rechtsstaa­t verteidigt«, wie nun Politiker im Lichte der Ausschreit­ungen erklären. Sondern sie hat Grundrecht­e attackiert – und kann, da es genug Pulverdamp­f gibt, darauf setzen, dass ihr Gebaren als nötige Vorsorge betrachtet wird.

Wahr ist freilich auch: Wenn Steine fliegen, dann auf Polizisten, nicht auf deren Führung, die in Hamburg die eigenen Leute verheizt. Wahr ist ebenso, dass brennende Autos kein Argument der Kritik sind. Solcherart Geländespi­ele lassen sich nicht zur »militanten Gegengewal­t« verklären. Sie sind Mist und machen es schwerer, jenen progressiv­en Ungehorsam zu verteidige­n, auf den es die Polizeifüh­rung eigentlich abgesehen hat: gut gelaunte Demos und Sitzblocka­den im Sperrgebie­t. Die sind politisch nämlich viel gefährlich­er, weil radikal in der Kritik, aber dennoch anschlussf­ähig. Wenn jedoch durch den Rauch hindurch kaum noch jemand unterschei­det, freut das: die Polizeifüh­rung. Wer dazu beiträgt, unterwirft sich, gewollt oder nicht, ihrem Zweck.

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