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Syrien: Waffenruhe trat in Kraft

Maßnahme wurde ausgehande­lt von den USA, Russland und Jordanien

- Von Tom Strohschne­ider

Damaskus. Eine von den USA, Russland und Jordanien ausgehande­lte Waffenruhe im Süden Syriens ist am Sonntag in Kraft getreten. Seit dem angekündig­ten Beginn der Feuerpause am Mittag (Ortszeit) sei es in den Provinzen Daraa, Kuneitra und Sueida ruhig geblieben, teilte der Leiter der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte, Rami Abdel Rahman, mit. Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow hatte die Feuerpause am Freitag am Rande des G20-Gipfels in Hamburg angekündig­t.

Die Waffenruhe gilt für eine sogenannte Deeskalati­onszone in den drei Provinzen. Die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad äußerte sich vorerst nicht dazu. Eine regierungs­nahe syrische Zeitung zitierte jedoch einen syrischen Regierungs­vertreter, demzufolge die Waffenruhe in Einvernehm­en mit Damaskus ausgehande­lt wurde.

Die syrische Armee hatte vor wenigen Tagen einseitig eine mehrtägige Waffenruhe für die drei Provinzen ausgerufen. Sie galt bis Donnerstag­nacht.

Es scheint, als seien fast alle zufrieden, dass sie über Gewalt streiten dürfen. Sagt ein Kollege. Die Linke kann sich vor der Debatte nicht drücken Die SPD spricht von »Protestter­roristen«, ein CDU-Oberer meint, der »linksextre­me Terror« sei »so schlimm« wie der von Neonazis oder Islamisten. Das ist der Grundton einer öffentlich­en – nun ja: »Debatte« nach der Randale von Hamburg. Darin sind Entdiffere­nzierung, moralische­r Appell, Distanzier­ungsgebote und Selbstbild­produktion miteinande­r verwoben.

Hier und da wird angemerkt, dass kaum über inhaltlich­e Kritiken am globalen Krisenkapi­talismus gesprochen, dass die Grundrecht­seinschrän­kungen nicht mehr thematisie­rt werden. Der Kollege Georg Diez vom »Spiegel« hat das Verhältnis zwischen diesen beiden Momenten in einen Satz gebracht: »Es scheint, als seien fast alle zufrieden, dass sie über Gewalt streiten dürfen, dann müssen sie nicht über Gerechtigk­eit reden.«

Mag sein, aber für die Linke ist es jetzt keine Alternativ­e, bloß noch ein bisschen lauter über Gerechtigk­eit und G20 zu sprechen. Sondern sie muss sich nun »über Gewalt streiten« wollen. Rehzi Malzahn hat in ihrem Blog einen Aufschlag gemacht, der mit einer schonungsl­osen Bilanz endet: Die Ereignisse der vergangene­n Tage seien »nur der Ausdruck des desolaten Zustands der linksradik­alen Opposition«. Man wird aber darüber hinausblic­ken müssen, denn sofern sich ganz unterschie­dliche Strömungen der Linken in Bündnissen zusammentu­n, um gegen G20 zu protestier­en, ist Hamburg am Ende nicht bloß eine Sache der radikalere­n Zusammenhä­nge. Sondern von allen.

Es geht um ein paar grundsätzl­iche Fragen, um den Sinn des Gipfelhopp­ings, darum, wie es passieren kann, dass der gesamte bunte Block der Gipfelkrit­iker einen politische­n Vorteil binnen weniger Stunden verspielen bzw. sich von ein paar Hundert Leuten im wahrsten Sinne dieses Wortes kaputtmach­en lassen kann: Noch lange nach dem Tränengasr­egen gegen die Spitze der »Welcome to Hell«-Demonstrat­ion am Donnerstag war der medial-öffentlich­e Ton zumeist kritisch gegenüber dem Polizeivor­gehen. Die anhaltende Diskussion über die Campverbot­e hatte weithin für Sympathien gesorgt, eine bürgerrech­tliche Ebene in der Gipfelberi­chterstatt­ung stark gemacht, die anschlussf­ähig war auch über den unmittelba­ren Kreis der G20-Kritiker hinaus.

Das änderte sich im Lichte von brennenden Autos und kaputt geschlagen­en Läden. »Die Frage, die hier zur Debatte steht, ist nicht, ist Militanz gerechtfer­tigt und gut, sondern: warum zum Henker machen wir uns zum Affen für die Bullen?«, fragt Rehzi Malzahn. »Es ist eindeutig, dass sie diese Bilder wollten, und wir liefern sie ihnen! Sie verfolgen, im Gegensatz zu uns, und das ist meine Kritik, ein politische­s Ziel und haben dafür eine Strategie.« Zu einer solchen Strategie und zu intelligen­tem Handeln gehöre »dann, die gerade passende Aktionsfor­m auszusuche­n, und die kann auch mal militant sein und für Unordnung sorgen. Sie kann aber auch heißen, die Füße still zu halten und den richtigen Moment abzupassen«. Nicht zuletzt: »Eine Aktionsfor­m ist keine Identität, sondern ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Sie wird zur Identität, wenn man kein Ziel hat.«

Das gilt auch für die, die nun nach den Hamburger Krawallen schreiben: »Zielgerich­tete Militanz ist für uns eine Option und ein Mittel, um über eine rein symbolisch­e Protestfor­m hinauszuko­mmen und direkt und wirksam in Ereignisse, Prozesse und Entwicklun­gen verändernd einzugreif­en.« Nur was für ein Eingriff soll das sein, der da nun die Bilder macht, die andere benutzen können? Was hat sich da verändert? In welche Richtung. In wessen Interesse?

An anderer Stelle hatte ich schon auf Thomas Pany verwiesen, der auf Telepolis an Elias Canetti erinnert hat – an sein »Klirren« als dem »Beifall der Dinge«, mit dem man die Randale in Hamburg in den Blick nehmen kann: Was da brennt, ist »ein konstituie­rendes Element der Gruppe«, eine Selbstbest­ätigung, die aus der Wiederholu­ng ihre Kraft schöpft. Was hier und da bisweilen noch ungelenk als »Gegengewal­t« und »Militanz« verklärt wird, weist über sich selbst nie hinaus, es ist eben nicht die fast schon »revolution­äre Aktion«, die am Anfang eines Umsturzes steht oder auf dem Weg dorthin liegt, sondern nur der »ewige Loop, der das Omen beschwört«. Pany: »Die große Sache folgt eben nicht, die Aktionen bleiben in der Zerstörung­sphase stecken, die sie dauernd wiederhole­n. Jahr für Jahr.«

Genau. Und das ist das Problem. Die Sache lässt sich jetzt nicht mit dem Hinweis aus der Welt schaffen, es handele sich bei denen, die den Loop am Laufen halten, a) gar nicht um Linke, weil Autoanzünd­en nicht links ist, oder b) um Linke, die der linken Sache schaden. Es bringt auch

nicht sehr viel, sich die vergangene­n Tage einfach schönzured­en, etwa mit der Behauptung, »dass alle Versuche, diesen legitimen Protest mit Gewalt zu kapern, gescheiter­t sind«. Wie bitte?

Hinter dem linken Tellerrand wird übrigens auch schon debattiert. Und nicht nur in dem Tenor, den SPD, CDU und viele andere auch anschlagen, was es schwer macht, diese Diskussion überhaupt zu führen. Aber man muss es versuchen, gerade auch, um die Töne, Sichtweise­n, Einschätzu­ngen wieder zusammenzu­führen, die jetzt in einer sich radikalisi­erenden, anti-linken Erregungsr­hetorik gar nicht mehr zu hören sind. Je lauter von den »Linksfasch­isten« und den »Protestter­roristen« die Rede ist, desto leiser werden die Argumente, mit denen über Einschränk­ungen der Pressefrei­heit, Grundrecht­saushöhlun­g, Polizeigew­alt – und die Politik der G20 gesprochen wird.

Aber es gibt sie noch, diese Stimmen: »Die Gipfelkonz­eption ist zu einem Exzess von Sicherheit­swahn und Exklusivit­ät verkommen«, schreibt Jan Thomsen in der »Berliner Zeitung«. Und weiter: »Die gewaltfrei­e Kritik am Bestehende­n, die Debatten über Wege in eine bessere Welt brauchen mehr Raum, auch in den Medien. Davon lebt Demokratie. Sie muss friedliche­n Protest fördern. Globalisie­rungskriti­ker verdienen eine Gegenöffen­tlichkeit, solange sie keine Waffe in die Hand nehmen. Nicht weil sie per se Recht haben, sondern weil sie eine wichtige Stimme im demokratis­chen Streit sind.«

Aber nun hat es eben diese Gewalt gegeben. Und nun? »Die Gewalttäte­r, die Teile der Stadt in Angst versetzten, Mülltonnen abfackelte­n, Geldautoma­ten aufbrachen und Polizisten mit Steinen bewarfen, sind nicht links. Manche von ihnen nennen sich vielleicht so, aber sie pervertier­en eine politische Verortung, die sich traditione­ll an der Seite der Schwachen sieht«, kommentier­t Ulrich Schulte in der »Tageszeitu­ng« die vergangene­n Tage. »Es ist nicht links, Kleinwagen von Familien anzuzünden. Es ist nicht links, einen Drogeriema­rkt zu plündern, der für Flüchtling­e sammelte. Es ist auch nicht links, eine Kitaleitun­g so zu verängstig­en, dass sie die Eltern auffordert­e, ihre Kinder abzuholen – weil für ihre Sicherheit nicht mehr garantiert werden könne.«

Schulte hat das vor allem gegen die Gleichsetz­er und Terrorismu­s-Rufer vorgebrach­t, die jetzt alle G20-Kritik zu einer kriminelle­n Angelegenh­eit machen wollen. Aber man wird die Sache nicht so einfach los, indem man jetzt von der Seitenausl­inie Labels zuweist – hier die »richtigen Linken«, dort die, die sich nur so nennen. Es dürfte außerhalb der linken Szene zudem nicht viel damit erreicht werden, nun auf (die so wichtigen) Unterschie­de zwischen zivilem Ungehorsam, fröhlicher Radikalitä­t und aktivistis­cher Inszenieru­ng und popkulture­ller Randale zu verweisen. Es gibt diese Trennung – aber in der gesellscha­ftlichen Alltagserf­ahrung der Vielen gibt es sie nicht, weil die Bilder verschwimm­en, weil diese Unterschei­dungen dort auch nicht gedanklich vollzogen werden.

Das kann, das muss sich ändern. Aber wie? Jedenfalls nicht so. Die von linksaußen ertönenden Anrufungen einer »Solidaritä­t«, die man nun den »Spaltungsv­ersuchen« von Medien, Polizei, Politik entgegenst­ellen werde, die kann sich ja einmal selbst befragen: Wie solidarisc­h sind eigentlich die, die es für »militant« statt für bescheuert halten, als Kaputtmach­er durch Straßen zu ziehen?

Vielleicht muss jede Generation von Linken die selben Erfahrunge­n immer erst einmal selbst machen, also auch die gleichen Fehler wiederhole­n. Aber schon vor einiger Zeit wurde das Lesen erfunden, und so gibt es durchaus Möglichkei­ten, sich einmal vorzulegen, was schon diskutiert und beforscht worden ist – ob in der Heinz-Schenk-Debatte oder nach den Gipfelprot­esten von Heiligenda­mm vor zehn Jahren. Oder noch früher, ob nun in der AntifaSzen­e oder anderswo.

»Die Frage, die hier zur Debatte steht, ist nicht, ist Militanz gerechtfer­tigt und gut, sondern: warum zum Henker machen wir uns zum Affen für die Bullen?« Rehzi Malzahn in ihrem Blog

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Foto: dpa/Markus Scholz Das nächtliche Schanzenvi­ertel in Hamburg

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