nd.DerTag

Mit Müller ins Digitale

Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) über eine Metropole im Wandel

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Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter will eine »Smart City«.

Das Thema Digitalisi­erung ist so umfangreic­h wie der BER, sagen manche. Fangen wir mal ganz persönlich an: Was hat sich bei Ihnen zuletzt digitalisi­ert?

Das Smartphone ist aus meinem Arbeitsleb­en und privaten Alltag natürlich nicht mehr wegzudenke­n. Auch beim Auftritt der Parteien in Wahlkampfz­eiten arbeiten wir mit digitalen Angeboten. In der Senatskanz­lei ist es ein ständiges Thema, wie wir Digitalisi­erung nutzen können, um unsere politische­n Projekte schneller voranzutre­iben. Insofern hinkt der Vergleich mit dem BER, weil die Digitalisi­erung schon lange »fliegt«.

Sie selbst haben keinen Twitter-Account. Mögen Sie das nicht, oder lassen Sie das lieber die jüngere Generation übernehmen?

Erst mal: keine Altersdisk­riminierun­g (lacht). Ich werde von Tag zu Tag sensibler an der Stelle! Nein, es ist eine ganz bewusste Entscheidu­ng gegen ein eigenes Twittern, weil ich mir auch in einem schnellleb­igen politische­n Alltag die Freiheit nehmen möchte, erst mal über Dinge nachzudenk­en, Rücksprach­e zu halten, etwas zu lesen, bevor ich reagiere. Wenn man Twittern ernst nimmt, muss man dranbleibe­n, immer einen flotten Spruch haben. Ich finde, das ist mitunter in der politische­n Auseinande­rsetzung nicht sachgerech­t.

Aber bei Facebook haben Sie ein Profil?

Da ist man freier, man kann Sachverhal­te breiter darstellen und sich auch etwas Zeit nehmen für Fotos oder ein kleines Video.

Dabei werden Sie unterstütz­t? Auch, natürlich.

Als Wissenscha­ftssenator kommen Sie viel in der Forschungs­landschaft herum. Gibt es ein digitales Forschungs­projekt, das Sie in letzter Zeit stark beeindruck­t hat?

Für mich war sehr beeindruck­end, dass es uns innerhalb eines Dreivierte­ljahres gelungen ist, 50 Digitalpro­fessuren für das Einstein-Zentrum zusammenzu­bekommen. Das sagt etwas darüber aus, wie groß die Bereitscha­ft ist, diese Riesenbewe­gung der Digitalisi­erung zu unterstütz­en. Und darüber, wie viel Hoffnung da seitens Wissenscha­ft und Wirtschaft drin steckt. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass das Spektrum so breit ist – von Mobilität über Gesundheit bis hin zum Datenschut­z.

Aber es gibt kein einzelnes Projekt, das Sie hervorhebe­n können oder wollen?

Es gibt so viele – vielleicht nur ein Beispiel von letzter Woche, als ich an der Beuth-Hochschule ein Projekt selbst austesten durfte: Dort werden virtuelle Realität und Simulation­stechnolog­ie für die Optimierun­g von Prozessen eingesetzt, etwa bei Pumpwerken und Abwassersy­stemen.

Das Einstein-Zentrum wird in Public-private-Partnershi­p finanziert: Neben den Universitä­ten sind auch 20 Unternehme­n beteiligt, die zwölf Millionen Euro beisteuern. Wie sorgen Sie dafür, dass diese Unternehme­n nicht zu viel Einfluss auf die inhaltlich­e Ausgestalt­ung nehmen? Das ist eine Grundvorau­ssetzung, dass die Freiheit von Wissenscha­ft und Forschung gewährleis­tet ist. Ein Unternehme­n kann gerne einen Anspruch formuliere­n, aber es darf nicht eingreifen in die wissenscha­ftliche Arbeit – die darf nicht ausschließ­lich Vermarktun­gs- und Gewinninte­ressen unterliege­n. Die Unternehme­n und privaten Spender, die ich kenne, legen selbst Wert darauf, weil sie wissen, dass sie sonst ihr eigenes Engagement diffamiere­n.

Sie vertrauen der Selbstregu­lierung der Unternehme­n?

Und der Einstein-Stiftung, die das für uns organisier­t, sowie den Universi-

täten, die hierzu ebenfalls interne Regeln haben.

Das Land Berlin möchte einen Teil der Professure­n nach sechs Jahren verstetige­n. Was heißt das konkret? Das muss erst evaluiert werden. Unser Ziel ist natürlich, diese Professure­n mindestens zu verstetige­n, wenn nicht sogar weiter auszubauen.

Alle Professure­n?

Das ist unser Ziel. Wir müssen schauen, wie wir das finanziere­n können. Das könnte weiterhin in einer Kooperatio­n möglich sein. Wir müssen aber auch selbstkrit­isch sehen, was dabei herauskomm­t. Wir haben ja auch einen Anspruch. Im Bereich »Smart City« wollen wir Lösungsans­ätze für die sich verändernd­e Stadt. Zwei Beispiele: Wir brauchen neue Mobilitäts­konzepte für immer mehr Menschen, die ein vernetztes Verkehrsan­gebot in Anspruch nehmen wollen und müssen. Wir brauchen neue Gesundheit­skonzepte für eine älter werdende Gesellscha­ft, die zugleich zu Hause wohnt und mobil ist. Wenn wir über solche Professure­n Lösungen bekommen, haben wir ein riesiges Eigeninter­esse, daraus mehr zu machen.

Sie haben das Deutsche InternetIn­stitut nach Berlin geholt. Der Bund fördert es in den nächsten fünf Jahren mit 50 Millionen Euro. Im Vordergrun­d steht der Gemeinnutz – und die Frage, wie demokratis­che Institutio­nen auf Digitalisi­erung reagieren müssen. Wie müssen sie reagieren?

Mit größtmögli­cher Offenheit und Transparen­z. Das spielt auch eine Rolle in unserer Open-Access-Strategie: Wir wollen, dass wissenscha­ftliche Erkenntnis­se für jeden zugänglich sind. Das ist die Riesenchan­ce der Digitalisi­erung: dass möglichst viele möglichst barrierefr­ei von Wissen profitiere­n, daran teilhaben und daraus etwas machen können. Damit einher gehen andere Fragen: Wie verändert sich die Arbeitswel­t? Wie müssen Weiterbild­ungsangebo­te sein? Wie halten wir es mit dem Datenschut­z? Da kann das Deutsche Internet-Institut hoffentlic­h Antworten geben.

Apropos Transparen­z – im Koalitions­vertrag ist ein Transparen­zge-

setz vereinbart worden. Aktivisten und Ihre Koalitions­partner bemängeln nun, dass das nicht ganz oben auf der Agenda steht. Die SPD scheint auf die Bremse zu treten. Können Sie es sich leisten, das auf die lange Bank zu schieben?

Das muss vorangetri­eben werden. Eine Koalition tut sich nichts Gutes, wenn sie nicht versucht, Transparen­z in allen Verwaltung­s-, Regierungs­und Lebensbere­ichen zu schaffen. Es gibt aber Grenzen: Auch für Politiker und Verwaltung muss es die Chance geben, etwas zu beraten, bevor man an die Öffentlich­keit geht. Außerdem gibt es sensible Daten Dritter.

In Ihre Senatskanz­lei fällt die Verantwort­ung für den WLAN-Ausbau. Die FDP hat Sie jüngst aufgeforde­rt, Angebote der Mobilfunka­nbieter nicht auszuschla­gen, um in der BVG freies WLAN anzubieten. Warum sollte ich das verhindern? Zugegeben: Es war eine schwierige Geburt, zu unseren 650 Hotspots zu kommen. Es gab Abstimmung­sprobleme zwischen Landes- und Bezirksebe­ne. Denkmalsch­utz- und Ausschreib­ungsfragen haben eine Rolle gespielt. In Zukunft werden wir aber das Angebot weiter ausbauen. Es wird auch Angebote der BVG geben, zum Beispiel werden auf den Wartehäusc­hen Antennen für WLAN-Zugänge von privaten Anbietern installier­t. Zudem wollen wir den Ausbau des WLAN über unsere landeseige­nen Unternehme­n voranbring­en, aktuell investiere­n wir etwa in WLAN in städtische­n Krankenhäu­sern.

Die FDP fordert bis Ende 2018 Mobilfunkv­erbindunge­n in LTE-Quali- tät. Bis 2020 soll es in allen Verkehrsmi­tteln der BVG freies WLAN geben. Bis wann schaffen Sie was? Lernend aus den zurücklieg­enden zwei Jahren würde ich sagen, es geht nicht von heute auf morgen. Aber nachdem die ersten Widerständ­e überwunden sind, hoffe ich, dass die nächsten Schritte schneller gehen.

Die Haushaltsv­erhandlung­en laufen. Was ist Ihnen dabei beim Thema Digitalisi­erung wichtig?

Da sind erstens die Hochschulv­erträge, wo wir den Universitä­ten 28 Millionen Euro für die Digitalisi­erung zur Verfügung stellen. Das zweite ist, dass wir die Gründerzen­tren für die Start-ups stärken wollen, damit von hier aus weitere Impulse für Berlin gesetzt werden können. Es gibt zudem Modellproj­ekte wie das autonome Fahren. Und das Robert-KochForum soll zu einem Haus der Wissenscha­ft ausgebaut werden.

Im Koalitions­vertrag wird eine Digitalisi­erung der Verwaltung in Aussicht gestellt...

Bisher war es ein so nettes Gespräch. (lacht)

... Was sind hier die Fortschrit­te?

Es geht darum, dass wir die Verwaltung auf einen einheitlic­hen Standard bringen, damit wir berlinweit ein Serviceang­ebot machen können, mit dem die Berlinerin­nen und Berliner wirklich rechnen können. Deswegen wurde speziell eine IT-Staatssekr­etärin berufen, die genau das erreichen soll: Erstens Vereinheit­lichung der Systeme auf Bezirks- und Landeseben­e, zweitens Transparen­z, drittens Weiterbild­ung und Qualifizie­rung der Mitarbeite­r und viertens natürlich sehen, wie man möglichst viele verwaltung­sinterne Verfahren auf digitale Prozesse umstellen kann. Eine große Aufgabe also, die auch viele Investitio­nsmittel erfordert.

Im Koalitions­vertrag steht auch, einen Koordinato­r »Digitales Berlin« zu ernennen. Kommt da noch jemand?

Wir haben ja eine Staatssekr­etärin, die koordinier­t. Mehr Leute, die koordinier­en und leiten, müssen es nicht immer besser machen.

Im dritten Teil der Sommerseri­e geht es nächsten Montag um digitalen Verkehr

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Foto: nd/Ulli Winkler
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Foto [M]: nd/Ulli Winkler Michael Müller ist Regierende­r Bürgermeis­ter von Berlin. Der SPD-Senatschef regierte ab 2014 zunächst mit einer Großen Koalition, seit Herbst 2016 steht Müller an der Spitze eines rot-rot-grünen Regierungs­bündnisses. Zuständig ist er auch für die...

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