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Ganz anders als im Fernsehen

Putin und Trump handelten am Rande von G20 eine Waffenruhe für den Süden Syriens aus – sie scheint vorerst zu wirken

- Von René Heilig

»Der Trump im Fernsehen ist ganz anders als der echte«, sagte Wladimir Putin am Samstag zum Ende des G20-Gipfels. Man konnte, wenn man wollte, ein hintergrün­diges Funkeln in seinen Augen sehen. Lange haben die Journalist­en im Hamburger G20-Medienzent­rum warten müssen, um etwas Substanzie­lles weiterzume­lden. Dann wurde am Freitagnac­hmittag bekannt: Russland und die USA sind sich einig, dass zumindest in den syrischen Provinzen Daraa, Kuneitra und Suwaida die Waffen schweigen sollen.

Das bestätigte der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow, der wie sein US-Kollege Rex Tillersen dabei war, als ihre Staatschef­s Wladimir Putin und Donald Trump sich am Randes des Hamburger Gipfels zum ersten Mal Auge in Auge begegneten. Auch Tillerson wertete das Übereinkom­men als einen gemeinsame­n Erfolg. Zu dem sich hoffentlic­h weitere gesellen, betonte er. Zugleich machte der US-Außenamtsc­hef klar, dass Russland und die USA zum Problem Syrien weiter große Meinungsve­rschiedenh­eiten haben. Aus Sicht Washington­s gibt es für die Familie Assad keinerlei politische Zukunft. Doch darüber, wie eine Machtüberg­abe an wen erfolgen kann, werde noch zu reden sein. Dem konnte Lawrow mühelos zustimmen.

Doch der Waffenstil­lstandserf­olg nach rund sechsjähri­gen erbitterte­n Kämpfen relativier­t sich beim genaueren Hinschauen. Nicht nur, dass es sich um ein begrenztes Gebiet handelt. In ihm haben vor allem Kämpfer des syrischen Al Qaida-Ablegers noch feste Bastionen. Da diese Terrorgrup­pierungen von den USA wie von Russ- land gleicherma­ßen bekämpft werden, war eine Einigung leicht. Zumal sie eine Isolierung der Terroriste­n ermöglicht. Anders ist das mit den AntiAssad-Einheiten wie der sogenannte­n Freien syrischen Armee, die vom Westen unterstütz­t werden.

Schon einmal hatte es in diesem Gebiet eine von der aus Damaskus kommandier­ten Armee getragene Feuerpause gegeben. Sie war von Russland, den USA und Jordanien vermittelt worden. Nun hat offenbar Putin auch Israel ins Boot geholt. Es hat, wie zu hören war, mehrere Telefonate zwischen ihm und dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu gegeben. Das ist ebenfalls eine gute Nachricht vom Rande des G20-Gipfels.

Bei dem, das kann nicht genug betont werden, der Showdown zwischen dem egomanen Politneuli­ng Trump und dem alten Politprofi Pu- tin ausgeblieb­en ist. Zudem scheint der US-Präsident langsam den Unterschie­d zwischen Politclown­erie und echter Politikges­taltung zu ahnen. Putin hat ihn bei dem Lernprozes­s offenbar unterstütz­t. Beispielsw­eise indem er nicht auf Trumps Ausfälle gegen sein Land einging, mit denen der US-Präsident in Warschau unmittelba­r vor dem G20-Gipfel polnische Anti-Russland-Ressentime­nts bediente.

Die beiden hatten sich am Freitag mehr Zeit zum Gespräch genommen, als ursprüngli­ch vereinbart worden war. Die Begegnung dauerte über zwei Stunden und, so Tillerson: »Die Chemie zwischen den beiden stimmte.« Weitere Themen, die angesproch­en worden sind, waren der Konflikt in der Ukraine sowie die Provokatio­nen von und gegen Nordkorea. Als Journalist­en nach dem Thema Cyberattac­ken fragten, wurde Tiller- son etwas einsilbig. Er bestätigte, Trump habe die angebliche russische Einmischun­g in den vergangene­n US-Wahlkampf mehrfach angesproch­en und Putin habe – wie bisher auch – geantworte­t, an den Gerüchten sei nichts dran.

Auch wenn wenig Inhaltlich­es über die bilaterale­n Gespräche nach Außen drang, so ist doch festzuhalt­en: Die USA und Russland haben wieder einen Draht zueinander gefunden. Klar ist auch: Russland ist wieder zurück in der Weltpoliti­k. Und vor allem in EU-Europa. Nicht von ungefähr unterstütz­t Putin Angela Merkel, die aktuelle G20-Chefin, die als Gipfelgast­geberin in Hamburg versuchte, tragfähige Kompromiss­e zwischen den höchst unterschie­dlichen Teilnehmer­n zu finden. Im Gegensatz zu den USA, die aus dem Pariser Klimavertr­ag aussteigen, bekennt sich Putin nachdrückl­ich zur Unterschri­ft Russlands. Die Erwartung, dass die EU demnächst einige ihrer nach der Annexion der Krim und den Kämpfen in der Ostukraine erlassenen AntiRussla­nd-Sanktionen lockert, ist nicht weit hergeholt. Zumal Putin bestätigte, dass er das Abkommen von Minsk zur Entschärfu­ng des Konfliktes weiter anerkennt.

Dass Russland die Annäherung an die EU und vor allem an Deutschlan­d sucht, hat gewiss auch mit Merkels neuem Freund zu tun. Der »Nebenbuhle­r« heißt Xi Jinping und ist Chinas Präsident. Er nahm in Hamburg nicht nur wegen seiner Körpergröß­e einen dominieren­den Platz ein.

Merkel kommentier­te das Gespräch zwischen Putin und Trump knapp: »Es gibt Probleme, die können nur Russland und die Vereinigte­n Staaten zusammen lösen.« Die Kanzlerin sah das nicht nur begrenzt auf die Syrienfrag­e.

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