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Die seltsamen Aussagen des Saleh A.

Ein mutmaßlich­er Terrorproz­ess in Düsseldorf, bei dem der Hauptangek­lagte gleichzeit­ig Kronzeuge ist

- Von Sebastian Weiermann, Düsseldorf

In Düsseldorf hat in der vergangene­n Woche ein Prozess gegen drei mutmaßlich­e islamistis­che Terroriste­n begonnen. Die Männer sollen einen Anschlag auf die Düsseldorf­er Altstadt geplant haben. Die Düsseldorf­er Altstadt, verwinkelt­e Gassen, viele Kneipen. Die »Toten Hosen« singen von der »Längsten Theke der Welt«. Abends und an Wochenende­n ist das Viertel voller Menschen. Genau hier sollen Saleh A. und seine Mitstreite­r einen Anschlag geplant haben.

Das Vorhaben klingt so simpel wie verheerend. In zwei Straßen der Altstadt sollten sich Islamisten mit Sprengstof­fwesten in die Luft sprengen. An den Ausgängen der Innenstadt sollten sich weitere Attentäter postieren und mit automatisc­hen Gewehren auf die fliehenden Menschen schießen. Zum Schluss sollten auch sie sich in die Luft sprengen.

Soweit kam es aber nicht. Im Juni des vergangene­n Jahres wurden die an der Vorbereitu­ng des mutmaßlich­en Attentates beteiligte­n Islamisten in Nordrhein-Westfalen, Brandenbur­g und Baden-Württember­g verhaftet. Der Hauptangek­lagte Saleh A. saß zu diesem Zeitpunkt schon seit vier Monaten in französisc­her Untersuchu­ngshaft.

Saleh A. hatte sich im Februar 2016 auf einer Polizeiwac­he in Paris den Behörden gestellt. Er erklärte, dass er ein Mitglied des »Islamische­n Staates« sei und einen Anschlag in Düsseldorf plane. Seinen Sinneswand­el erklärte A. später den deutschen Ermittlung­sbehörden gegenüber damit, dass er Vater sei und nicht wolle, dass seine Tochter ihn nur als Terroriste­n in Erinnerung behalte. Auch sei ihm der Gedanke unerträgli­ch, für so viel menschlich­es Leid zu sorgen.

Dabei ist der Lebenslauf von Saleh A., soweit er bekannt ist, mit viel Leid verbunden. Sein Vater sei Syrer und Arzt, seine Mutter Palästinen­serin und Apothekeri­n. Er habe in GazaStadt Abitur gemacht und zwei Jahre Informatik studiert, sagte der 30-Jährige. Dann sei er mit seinen Eltern und vier Geschwiste­rn nach Syrien gegangen. Im Herbst 2011 soll er sich dem Aufstand gegen Assad in Syrien angeschlos­sen haben. Er wurde Teil einer Untergrupp­e der »Freien Syrischen Armee«. In dieser Zeit hat A. einen Scharfschü­tzen der syrischen Armee erschossen. Nach seinen Angaben vor Gericht hat er in Notwehr gehandelt. Einem Mithäftlin­g in Deutschlan­d soll er erzählt haben, dass er ein ganzes Magazin seiner Maschinenp­istole auf den Scharfschü­tzen abgeschoss­en habe. A. soll dabei extrem wütend gewesen sein, denn sein Bruder war angeblich zu- vor von dem Assad-Soldaten erschossen worden. Auch diese Tat steht in Düsseldorf vor Gericht. Saleh A. wird Totschlag vorgeworfe­n.

Später ging seine Gruppe zuerst zur islamistis­chen »Nusra-Front« und dann zum »Islamische­n Staat« über. Ab diesem Zeitpunkt werden die Aussagen von Saleh A. zumindest ungewöhnli­ch. Dem Treueeid auf den ISKalifen habe er sich verweigert. Er sei angeschoss­en und in ein Umerziehun­gslager gesteckt worden.

Wenig später soll er dann trotzdem vom IS in die Türkei geschickt worden sein, um Routen für islamistis­che Kämpfer auszukunds­chaften. In der Türkei will er mit dem Geheimdien­st zusammenge­arbeitet haben, einen Anschlag auf die US-amerikanis­che Botschaft verhindert und 50 Islamisten verraten haben. Beim IS soll man davon nichts erfahren und Saleh A. nach Europa geschickt haben, um dort Anschläge vorzuberei­ten.

Abd Arahman A. K., der in Syrien das Bombenbaue­n gelernt hat, soll ihm zur Seite gestellt worden sein. Mahood B. sollen die beiden in Düsseldorf kennengele­rnt haben, wo Saleh A. Geld mit dem Handel von Marihuana verdient hat. Beim gemeinsame­n Konsum sei B. davon überzeugt worden, sich am Attentat zu beteiligen.

Auch andere Geschichte­n, die Saleh A. den Ermittlung­sbehörden erzählte, klingen abwegig. Die Gruppe soll versucht haben, den Vatikan zu erpressen. Ein entführter italienisc­her Pater in Syrien diente dafür als Grundlage. Ob dieser Versuch vom IS gesteuert wurde oder wie A. sagt, dazu diente, Geld zu erhalten, um sich von den Islamisten loszusagen, ist strittig.

Richterin Barbara Havliza hat es also mit einem schwierige­n Fall zu tun. Der Hauptangek­lagte ist gleichzeit­ig der Belastungs­zeuge. Die Verteidige­r der Mitangekla­gten zweifeln die Aussagen von Saleh A. stark an. Bundesanwa­lt Tobias Engelstätt­er ist jedoch davon überzeugt, dass die Anklage stichhalti­g ist. Deutsche und französisc­he Ermittler seien sorgfältig vorgegange­n, und die umfangreic­hen Aussagen von Saleh A. können nach Ansicht des Bundesanwa­ltes nicht erfunden gewesen sein.

Richterin Barbara Havliza hat es mit einem schwierige­n Fall zu tun und Bundesanwa­lt Tobias Engelstätt­er ist davon überzeugt, dass die Anklage stichhalti­g ist.

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