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Krieg gegen Konzerte in Odessa

Rechtsradi­kale machen mit Drohungen und Gewalt Front gegen »antiukrain­ische Künstler«

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Im südukraini­schen Odessa versuchen Rechtsradi­kale ständig, Konzerte von »antiukrain­ischen Künstlern« zu verhindern. Mit Erfolg. Das macht die Situation in der Region noch angespannt­er.

Nach Charkiw gehört das südukraini­sche Odessa, das historisch stark russischsp­rachig geprägt ist, in die Reihe ukrainisch­er Großstädte, die am kritischst­en auf die politische Linie der Kiewer Regierung schauen. Allerdings ist Odessa mit seiner Million Einwohner – ähnlich wie Charkiw – innerlich scharf getrennt. Auf der einen Seite finden sich die stark proukraini­sche und patriotisc­he Zivilgesel­lschaft sowie Anhänger der rechten Kräfte, die überrasche­nderweise für ähnliche Inhalte stehen. Auf der anderen Seite steht der große Rest der Bevölkerun­g, die »normalen Menschen«, die meist gegenüber Kiew sehr kritisch eingestell­t sind.

Doch anders als in Charkiw, wo die beiden Bevölkerun­gsgruppen nur wenig miteinande­r zu tun haben, ist es in Odessa oft unruhig. Der klassische Grund für die Unruhen ist jedoch ungewöhnli­ch: Pop-Konzerte. Zwar werden in der Ukraine seit dem Beginn der politische­n Auseinande­rsetzungen im Winter 2014 generell politische Aussagen der Musiker sowie Auftritte in Russland aufmerksam verfolgt. Aber gerade in Odessa werden Konzerte mit radikalen Drohungen verhindert. Meist geht es um ukrainisch­e Künstler, die in Russland touren, sowie um Russen, die sich entweder politisch missliebig äußerten oder auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim auftraten.

So sollte am 28. Mai die ukrainisch­e Pop-Sängerin Swetlana Loboda im Luxus-Club »Ibiza« auftreten. Doch sammelten sich rund 50 rechte Aktivisten vor dem Konzert in der Nähe des Clubs. Sie hatten Pyrotechni­k und Tränengas bei sich. Die Polizei versuchte, Störungen zu verhindern. Das gelang größtentei­ls. Allerdings erreichten sie gleich drei Meldungen über Sprengladu­ngen im Gebäude. So musste das Konzert letztlich doch abgesagt werden. Ob die Anrufe ebenfalls aus dem rechten Lager kamen, ist zwar nicht zu beweisen, gilt aber als sehr wahrschein­lich. Ein noch größerer Skandal begleitete den Auftritt des russischen Rappers Basta, mit bürgerlich­em Namen Wassili Wakulenko. Eigentlich durfte Wakulenko, der seit 2014 zweimal auf der Krim auftrat, laut ukrainisch­er Gesetzgebu­ng überhaupt nicht in die Ukraine einreisen. Der Musiker schaffte es allerdings nicht nur durch die Passkontro­lle, er gab auch ein erfolgreic­hes Konzert in Kiew.

Doch am nächsten Tag in Odessa war Schluss mit der Ukraine-Tournee von Basta: Diesmal nahmen die Besitzer des Clubs »Ibiza« die Vorwarnung­en der Rechten ernst – sie sagten den Auftritt bereits im Voraus ab. Allerdings spielte dabei auch die Polizei eine große Rolle. Sie betonte, die Sicherheit des Konzerts könne von ihr nicht garantiert werden.

Der Mann, der hinter dieser Reihe der Konzertabs­agen steht, heißt Serhij Sternenko. Der Jurist war früher Chef des Rechten Sektors in Odessa, nun vereinen sich hinter seinem Rücken zahlreiche nationalis­tische Organisati­onen im Kampf für das »neue« Odessa.

»Auftritte der ukrainefei­ndlichen Künstler zu verhindern ist eine Ehrensache für mich«, sagt Sternenko selbst. Gemeinsam mit seinen Mit- streitern hat er eine »schwarze Liste« jener Musiker aufgestell­t, deren Auftritte in Odessa verhindert werden sollen. Mittlerwei­le stehen auf dieser Liste zehn Konzerte, das von Basta inklusive, darunter vier Auftritte ukrainisch­er Künstler. Es ist zu erwarten, dass all diese Auftritte früher oder später abgesagt werden.

»Lieber Serhij Sternenko und andere, es ist an der Zeit, das öffentlich zu besprechen. Werdet ihr etwas gegen den Auftritt der Band Mumij Troll haben?«, fragte Artem Wosnjuk, Konzertver­anstalter aus Odessa, neulich die rechten Aktivisten auf Facebook. Er hat unter anderem das abgesagte Konzert von Swetlana Loboda organisier­t. »Da Mumij Troll unseren Informatio­nen nach die Gesetze der Ukraine nicht verletzte, dürfen sie ja auftreten«, schrieb Sternenko zurück. Allein die Existenz dieses etwas satirische­n Dialogs zeigt, wie schwierig die gesellscha­ftliche Situation in Odessa gerade ist.

Dass weder die Stadtverwa­ltung noch der Gouverneur des Bezirks sich in die Angelegenh­eit einmischen, ärgert einen Teil der Bevölkerun­g. Die Lokalmacht in Odessa liegt zumeist in den Händen der Partei des Präsidente­n Petro Poroschenk­o. Sie möchte ihre Beziehunge­n mit den rechten Kräften nicht weiter beschädige­n. »Dadurch verlieren Poroschenk­o und seine Partei nach dem Rücktritt des Gouverneur­s Michail Saakaschwi­li weiterhin an Beliebthei­t«, schätzt der lokale Journalist Andrij Ostapenko ein. »Es ist auf alle Fälle eine gefährlich­e Situation, deren Folgen unüberscha­ubar sind.«

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Foto: imago Sie dürfen spielen, weil sie wohl nicht prorussisc­h aufgefalle­n sind.

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