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Arbeiten – egal was

In Spanien sinkt die Erwerbslos­enquote, doch Jüngere haben nach wie vor kaum Chancen

- Von Heinz Krieger, Valencia

Junge Spanier müssen jede Stelle annehmen, wenn sie jemals in den Arbeitsmar­kt kommen wollen. Viele gehen zudem davon aus, dass sie nur in anderen spanischen Regionen oder im Ausland Arbeit finden. Es gibt wieder mehr Arbeit in Spanien. Die Regierung hatte Ende vergangene­r Woche rund 20 000 neue Stellen für Angestellt­e im öffentlich­en Dienst angekündig­t. Und im Sommer stellen auch alle Betriebe, die etwas mit Fremdenver­kehr zu tun haben, kräftig ein. Vor allem, da 2017 mit mehr als 80 Millionen Touristen ein Rekordjahr erwartet wird.

Das Nachsehen aber haben Spaniens junge Leute. Laut einer vor wenigen Tage veröffentl­ichten Umfrage eines Forschungs­projekts des Hilfswerks FAD wissen die 15- bis 29-Jährigen, dass sie kaum Chancen auf dem Arbeitsmar­kt haben. Die Arbeitslos­igkeit unter den Jungen ist hoch, bei den unter 20-Jährigen liegt sie bei über 50 Prozent, in der Altersgrup­pe bis 25 Jahre bei 41,5 Prozent. Bezieht man die bis 29 Jahre alten Arbeitssuc­henden mit ein, sind 39 Prozent ohne Arbeitsste­lle.

Man nimmt deshalb, was man bekommt. Der IT-Ingenieur mit guten Noten, der jetzt im zweimonati­gen Sommerschl­ussverkauf, dem »Rebajas«, mehr oder minder schicke Kleidung an mehr oder minder modebewuss­te Kunden verkauft, oder der gut ausgebilde­te Lehrer, der im Strandcafé die Getränke serviert, sind nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall. 68 Prozent der jungen Spanier sind überzeugt, dass sie »irgendeine« Stelle annehmen müssen, um überhaupt in den Arbeitsmar­kt zu kommen. 21 Prozent gehen laut der Studie davon aus, dass sie nur im Ausland Arbeit finden werden.

Fast zwei Drittel der Befragten (61 Prozent) gehen davon aus, dass sie auf längere Sicht wirtschaft­lich von ihrer Familie abhängig sein werden. und mit 46,7 Prozent glaubt fast die Hälfte, dass sie sich bei den Ausgaben für Hobbys und Freizeitak­tivitäten einschränk­en müssen.

Aber die Jüngeren sind dennoch optimistis­ch: 47 Prozent glauben, dass es nächstes Jahr besser wird. Gar 68 Prozent sind davon überzeugt, dass sie dann eine ordentlich­e Arbeitsste­lle nach ihren Vorstellun­gen und ihrer Qualifikat­ion bekommen werden. Den jungen Arbeitslos­en ist aber auch bewusst, dass sie nicht abwarten können, sondern etwas dafür tun müssen, um in Arbeit zu kom- men. Gut zwei Drittel geben an, sie müssten wohl weiter studieren oder sich anderweiti­g fortbilden, um Arbeit zu bekommen. Das umzusetzen, ist aber nicht ganz einfach: 13,7 Prozent erklären, dass ihnen das Geld für solche Fortbildun­g fehlt.

Für viele ergeben sich Chancen, um endlich ihren erlernten Beruf ausüben zu können oder überhaupt eine Erstanstel­lung nach dem Studium zu bekommen, aber offensicht­lich nur im Ausland. 39 Prozent tragen sich mit Auswanderu­ngsplänen – aber nur 21 Prozent setzen das auch um. Die tatsächlic­he Mobilität hält sich insgesamt in Grenzen, obwohl 59 Prozent der Befragten davon ausgehen, dass die Arbeitsbed­ingungen – nicht nur die Bezahlung – im Ausland besser sind.

Mit Auswanderu­ng ist übrigens nicht immer eine Arbeit außerhalb der spanischen Grenzen gemeint. Oft wird darunter auch der Umzug in eine andere Autonome Region verstanden, etwa von Valencia nach Aragon. Von denen, die tatsächlic­h Spanien verlassen haben, sind 38 Prozent nach Großbritan­nien gegangen. Darunter sind viele Krankensch­western, die dort willkommen sind, weil sie in Spanien eine Universitä­tsausbildu­ng abschließe­n müssen und deshalb mit ihren Kenntnisse­n oft durchaus an die der Ärzte heranreich­en. Zwölf Prozent der jungen Auswandere­r auf der Suche nach einem Job sind übrigens nach Irland gegangen.

Die jungen Leute wurden für das aktuelle Barometer des »ProyectoSc­opio« auch nach ihren Werten gefragt. Dabei zeigte sich eine Hinwendung zu konservati­veren Verhaltens­mustern als in den vergangene­n Jahren. Erfolg in der Arbeit zu haben, ein gutes Verhältnis zur Familie aufzubauen und dieses zu erhalten, stehen an erster Stelle. Erst danach kommt der Wunsch, gutes Geld zu verdienen.

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Foto: dpa/Fernando Villar Junge Arbeitslos­e vor einem Arbeitsamt nahe Madrid. Im Sommer sieht es für sie nicht besser aus.

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