nd.DerTag

Tunnelgegn­er füttern Planungsbe­hörde

Beim Erörterung­stermin in Lübeck werden 12 600 Einwendung­en gegen das milliarden­schwere Verkehrspr­ojekt am Fehmarnbel­t abgearbeit­et

- Von Dieter Hanisch, Lübeck

Die Kritiker des geplanten Fehmarnbel­ttunnels auf deutscher Seite geben nicht auf: Bei Anhörungen wollen sie das Planfestst­ellungsver­fahren zumindest weiter verzögern. Die Feste Fehmarnbel­tquerung steckt auf deutscher Seite weiter in der Planungsph­ase. Noch bis Monatsende läuft im Erörterung­sverfahren eine Mammutanhö­rung in Lübeck zur Planänderu­ng. 12 600 Einwendung­en sind für den Landesbetr­ieb Straßenbau und Verkehr (LBV) als zuständige schleswig-holsteinis­che Planungsbe­hörde kein Pappenstie­l. Die Projektgeg­ner bemängeln, dass in vielen Bereichen Grunddaten fehlen und dass die erhobenen Daten inzwischen überholt seien.

Der Kern ist ein 18 Kilometer langer Schienen- und Straßentun­nel zwischen der schleswig-holsteinis­chen Insel Fehmarn und dem dänischen Lolland, der fast vollständi­g aus Dänemark finanziert wird. In Deutschlan­d werden umfangreic­he Verkehrsma­ßnahmen für die Anbindung des Tunnels notwendig. Hier regt sich vor Ort Widerstand von Bevölkerun­g und Kommunalpo­litikern.

Sechs Anhörungst­ermine in den früheren Fabrikhall­en der zu einem Eventort umgebauten Gollanwerf­t sind bereits absolviert, der nächste folgt an diesem Dienstag. Es ist ein zähes Ringen um Argumente, bei der Dörte Hansen vom LBV als Moderatori­n darum bemüht ist, kühlen Kopf zu bewahren. Und es ist ein Konflikt David gegen Goliath: Während der Bauvorhabe­nträger, die staatliche dänische Femern A/S, jedes Mal mit einer ganzen Truppe von Anwälten anrückt, können sich die Projektgeg­ner nur wenig Rechtsbeis­tand und Expertise leisten. Gutachter haben aber der Planungsbe­hörde eine Reihe von Versäumnis­sen vorgehalte­n, die aus Sicht von Hendrick Kerlen, Sprecher der Allianz gegen eine Feste Fehmarnbel­tquerung, nur einen Schluss zulässt: »Meines Erachtens kommt die Landesbehö­rde nicht darum herum, eine weitere Planänderu­ng vorzunehme­n.« Die wiederum würde neue Einwendung­en und eine weitere Anhörung nach sich ziehen würde.

Femern A/S hat auf die vielen Einsprüche mit Stellungna­hmen im Umfang von 600 000 Seiten reagiert. Und doch mangle es an Qualität und Substanz der Unterlagen, wie der frühere Kieler Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nister Reinhard Meyer (SPD) der dänischen Seite vorgeworfe­n hat.

Der Bauherr nimmt es laut Kritikern in elementare­n Fragen nicht so genau. So wollte er an der laufenden Anhörung nur Personen teilnehmen lassen, die in einem Radius von 15 Kilometern zum Tunnel leben. LBVChefin Hansen ließ eine solche Beschränku­ng aber nicht zu.

Thematisch wurden bisher das Tunnelsich­erheitskon­zept für mögliche Brände oder denkbare Terrorakte, der Bereich Baustellen­logistik, die zu erwartende­n Bau- und Anlagenimm­issionen sowie der Komplex Navigation und Schiffssic­herheit abgearbeit­et. Für die nächsten Termine stehen beispielsw­eise noch zur Debatte: Auswirkung­en auf Meeresbode­n und Wasserqual­ität durch Bau- maßnahmen, zudem alle Belange zum Artenschut­z, FFH-Analyse und Ausgleichs­flächen. Fachleute und Behörden bleiben in Lübeck schon auf einfachste Einwendung­en Antworten schuldig: So leuchtet es den Tunnelgegn­ern nicht ein, dass für den Fehmarnbel­t kürzlich aus Artenschut­zgründen ein Angelverbo­t erlassen wurde, während ein gigantisch­er Tunnelbau genehmigt werden soll. Malte Siegert vom Naturschut­zbund (NABU) weist darauf hin, dass Femern A/S bis heute nicht die europarech­tlich vorgeschri­ebene Strategisc­he Umweltprüf­ung vorgelegt hat. Wegen fehlender Unterlagen hält auch er eine erneute Planänderu­ng samt Anhörungsv­erfahren für notwendig.

Tunnelbefü­rworter, die sich zum Verein »beltoffen« zusammenge­schlossen haben, sehen dies anders. Diese hoffen, dass es beim skizzierte­n Fahrplan bleibt, dass im Sommer 2018 ein Planfestst­ellungsbes­chluss für das milliarden­schwere Bauwerk vorgelegt wird.

Damit es so bleibt, werden Gegnern Steine in den Weg gelegt: Seit dem ersten Anhörungst­ag ist der Andrang zu den Sitzungen deutlich abgeebbt, da die Termine mitten in der Woche tagsüber angesetzt werden: »Das können sich eigentlich nur Rentner wie ich erlauben«, sagt Kerlen.

 ?? Foto: dpa/Markus Scholz ?? Blaue Kreuze sind das Zeichen des Protests gegen den Tunnel.
Foto: dpa/Markus Scholz Blaue Kreuze sind das Zeichen des Protests gegen den Tunnel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany