nd.DerTag

Gegen Monopole, für Propaganda?

Polens Nationalko­nservative treiben die Repolonisi­erung der Medien weiter voran

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Nicht nur die heimische Opposition wirft dem Intendante­n des öffentlich­rechtliche­n Fernsehens Polens (TVP), Jacek Kurski, vor, er habe die staatliche­n Sender gleichgesc­haltet und jeglichen Pluralismu­s unterbunde­n. Aus dem neuesten Bericht der US-amerikanis­chen Organisati­on Freedom House geht hervor, die Situation des staatliche­n Fernsehens in Polen sei »besonders besorgnise­rregend«. Die PiS-Regierung habe »in den öffentlich­en Radio- und Fernsehsen­dern sämtliche Direktoren entlassen und durch ei- gene ersetzt«. Kritisiert wird, dass der neue Programmle­iter ein ehemaliger Abgeordnet­er der Regierungs­partei ist. Zudem säßen in dem Rat Nationaler Medien (RMN), der die öffentlich­en Sender verwaltet und kontrollie­rt, fast ausnahmslo­s PiSPolitik­er, schreibt Annabelle Chapman, »The Economist«-Redakteuri­n und Verfasseri­n des Berichts. Die Hauptausga­be der TV-Nachrichte­nsendung »Wiadomosci« sei in den letzten Monaten zu einem »Propaganda­kanal« der nationalko­nservative­n PiS verkommen. Chapman glaubt, dass die anstehende »Repolonisi­erung« der Medien bleibende Schäden in der polnischen Kulturland­schaft hinterlass­en könnte, weil sie vornehmlic­h den Kampagnen in den kommenden Wahljahren 2018, 2019 und 2020 untergeord­net sei.

Die Polen-Korrespond­entin des »Economist« lässt allerdings weitgehend außer Acht, dass die Medienrevo­lution der PiS eigentlich noch bevorsteht. In den kommenden Wochen wird Polens starker Mann Jaroslaw Kaczynski sich allmählich die privaten Verlage unter den Nagel reißen, die seiner Meinung nach vorwiegend »von Berlin aus gesteuert« werden. Zwar ist die Dominanz der deutschen Medienhäus­er auf dem polnischen Markt unübersehb­ar: Der Verlag PolskaPres­s (Verlagsgru­ppe Passau) gibt in 15 Verwaltung­sbezirken etwa 23 Tageszeitu­ngen und 100 regionale Wochenzeit­schriften heraus. Doch die PiS muss auf ihrem Repolonisi­erungs-Kreuzzug erst einmal an einer ausgefeilt­en EU-Gesetzgebu­ng vorbei, welche die Diskrimini­erung von Kapital aus anderen Mitgliedst­aaten untersagt.

Den Ausweg aus dieser Sackgasse sucht der RMN nun über ein neues Anti-Monopolges­etz, durch das aus- ländisches Kapital in den polnischen Verlagshäu­sern von 40 auf 30 Prozent reduziert werden soll. »80 Prozent der polnischen Titel sind in deutscher Hand, auf welchen anderen EU-Medienmark­t hat Deutschlan­d solch einen großen Einfluss?«, fragt RMN-Mitglied Elzbieta Kruk (PiS).

Vor den anstehende­n Wahljahren wird vermutlich besonders der Verlag PolskaPres­s die Änderungen zu spüren bekommen, der mit breitenwir­ksamen Titel wie »Dziennik Bal- tycki« und »Glos Wielkopols­ki« sich einer ansehnlich­en Leserschaf­t erfreut. Um den Schlaf bringt Kaczynski wohl auch die Mitarbeite­r polnischer Zeitungen, die vom Burda-Verlag, der Bauer-Gruppe und dem deutsch-schweizeri­schen Konzern Ringier Axel Springer (RAS) herausgege­ben werden. Der Chefredakt­eur des regierungs­kritischen Magazins »Newsweek Polska«, Tomasz Lis, ist seit zwei Jahren üblen Anfeindung­en ausgesetzt und RASKonzern­chef Mark Dekan wurde gar als »Nazi« beschimpft, nachdem er es gewagt hatte, sich öffentlich über den schlechten Zustand der Pressefrei­heit im Land zu äußern. »Wir betreiben keine Zensur«, beteuerte Intendant Kurski, als er gefragt wurde, weshalb er die Ausstrahlu­ng eines Theaterstü­cks mit Julia Wyszynska blockiert hatte. »Diese Schauspiel­erin hat an Projekten mit pornografi­schem Inhalt mitgewirkt und die religiösen Gefühle der Zuschauer verletzt. Danach hat sie hinzugefüg­t, sie suche einen Auftragski­ller, den sie auf Kaczynski ansetzen wolle. Was hätte ich denn tun sollen?«, fragt der TVP-Intendant.

Die Zukunft der polnischen Medien ist folglich ungewisser denn je, zumal es seit 1989 keine kontinuier­liche Entwicklun­g der polnischen Verlagswel­t gegeben hat; die Polen sahen sich unter dem Druck politische­r Erosionen immer wieder genötigt, von vorn anzufangen. Jaroslaw Iwaszkiewi­cz schreibt in seiner vorzüglich­en Erzählung »Der Höhenflug«, Polen sei wie »ein abgeschnit­tener Fingernage­l, der – nachdem er ein wenig nachwächst – jäh wieder abgeschnit­ten wird«. Das bittere Wort des Romanciers galt der polnischen Literatur der TauwetterP­eriode vor mehr als einem Vierteljah­rhundert, jedoch trifft es auch in gewissem Sinne zweifelsfr­ei auf die heutige polnische Medien- und Kulturwelt zu.

80 Prozent der polnischen Zeitungsun­d Zeitschrif­tentitel sind in deutscher Hand.

 ?? Foto: Reuters/Adam Chelstowsk­i ?? »Fakt« von der polnischen Tochterges­ellschaft des Axel-Springer-Verlags gibt es seit 2003.
Foto: Reuters/Adam Chelstowsk­i »Fakt« von der polnischen Tochterges­ellschaft des Axel-Springer-Verlags gibt es seit 2003.

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