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Kurz vor der Kernschmel­ze

Gina Lückenkemp­er fehlen bei ihrem Sieg über 100 Meter bei den Deustchen Leichtathl­etikmeiste­rschaften nur zwei Hundertste­lsekunden zum Durchbruch der Schallmaue­r

- On Ralf Jarkowski und Andreas Schirmer, Erfurt

An der flotten Gina kommt kaum eine vorbei. Gina Lückenkemp­er startet bald bei der Leichtathl­etik-WM in London. Und mit ihren 11,01 Sekunden über 100 Meter, da hat sie schon mal eine Duftmarke gesetzt. Schnell reden, schnell essen, schnell fahren – und vor allem ganz schnell rennen: Langsam kann Gina Lückenkemp­er wirklich nichts – und nun reizt sogar die Schallmaue­r. Deutschlan­ds größtes Sprinttale­nt hat bei den deutschen Meistersch­aften das nächste Achtungsze­ichen in ihrer noch jungen Karriere gesetzt: 11,01 Sekunden über 100 Meter, und das schon im Vorlauf und bei Windstille. »Es war einfach ein verdammt geiler Lauf – der geilste Lauf in meinem Leben«, sagte die 20-Jährige. Mit ihrem Coup im Steigerwal­dstadion hat sie in der Blumenstad­t Erfurt schon mal eine Duftmarke hinterlass­en. »Eine 10 vor dem Komma wäre noch schöner gewesen, aber es hat heute nicht sollen sein«, erzählte die deutsche Meisterin beim Interviewm­arathon nach dem Finale, das sie natürlich auch noch gewann. In 11,10 Sekunden. Doch das soll noch lange nicht das letzte Wort der flotten Gina gewesen sein.

Da geht noch was, wenn es weiter so gut läuft. »Die 10 vor dem Komma ist einfach eine Schallmaue­r im Frauenspri­nt«, sagte die Sprinterin von der LG Olympia Dortmund, die in Soest wohnt und in Bochum Wirtschaft­spsycholog­ie studiert. »Ich möchte einfach eine von den Frauen sein, die unter 11 Sekunden gelaufen sind. Und ich bin auf einem guten Weg dahin.« Diese Schallmaue­r hatte als bis dato letzte deutsche Sprinterin Katrin Krabbe vor 26 Jahren geknackt. »Das müssen wir mal ändern«, sagt sie und lacht.

Bei Gina Lückenkemp­er ist dies nur noch eine Frage der Zeit. An Selbstvert­rauen mangelt es der EM-Dritten über 200 Meter jedenfalls ebenso wenig wie an Talent. In der WM-Saison konnte sie aber bisher weniger trainieren als sonst. Dazu kamen viele Wettkämpfe, deshalb hatte die Leichtathl­etin nach der Team-EM in Lille eine einwöchige Pause eingelegt. »Mein Gehirn stand kurz vor der Kernschmel­ze, denn durch meine Starts in der Diamond League war ich sehr viel unterwegs. Das war für mich sehr ungewohnt«, erklärte sie.

Die flotte Gina fährt gern schnell Auto, die Hobbyreite­rin mag ihr Pferd »Picasso«. Vor allem aber liebt sie - Kurven. Und sie sagt sogar: »Kurven sind meine große Leidenscha­ft. 100 Meter durch die Kurve – und ich wär sofort dabei!«

Auf ihrer Lieblingss­trecke, den 200 Metern, da kann sie ihre Stärken einfach besser ausspielen ihre ausgefeilt­e Technik, den lockeren Laufstil, ihr vergleichs­weise geringes Gewicht, den optimalen Bodenkonta­kt. Etwas fehlt Gina Lückenkemp­er aber noch: der Westfalenr­ekord über 100 Meter. Den hält die Paderborne­rin Tatjana Pinto mit 11,00 Sekunden. Sicher nicht mehr lange.

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Foto: imago/Sebastian Wells In der Mitte und ganz vorn: Gina Lückenkemp­er siegt in Erfurt über 100 Meter.

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