nd.DerTag

Büffel am Boden

Sieger Sebastian Kienle lässt sich beim Frankfurte­r Ironman von der Konkurrenz zur völligen Erschöpfun­g treiben

- Von Frank Hellmann, Frankfurt am Main

Der Topfavorit Sebastian Kienle gewann am Sonntag als erster Triathlet nach 2014 und 2016 zum dritten Mal die Ironman-Europameis­terschaft in Frankfurt am Main. Am Ende ging es nur noch ganz, ganz langsam. Die letzten Meter auf dem roten Teppich am Römerberg absolviert­e Sebastian Kienle nur noch im Tempo eines Spaziergän­gers, der es beim Frankfurte­r Ironman nicht besonders eilig hat. Dann ging der Meister in die Knie, sank zu Boden und blieb einfach liegen. Ehefrau Christine Schleifer reichte die ersten Getränkefl­aschen, die sich der alte und neue Ironman-Europameis­ter zu Abkühlung nach der Hitzeschla­cht übers Haupt goss. Beinahe vier Minuten dauerte die Auszeit, die sich der seit Donnerstag 33 Jahre alte Triathlet vor den vollbesetz­ten Tribünen gönnte.

Dafür waren die Strapazen nach 3,8 Kilometer Schwimmen im Langener Waldsee, 177 Kilometer Radfahren auf einem Zwei-Runden-Kurs zwischen Frankfurt und Friedberg und einem Marathonla­uf am Mainufer in 7:41:42 Stunden zu arg. »Man muss sich hinlegen. Die größte Herausford­erung ist es, einen zusammenhä­ngenden Satz herauszubr­ingen«, berichtete Kienle in seinem ersten Statement, in dem sich Erschöpfun­g und Emotionen vermischte­n. »Weil die Gefühle so frisch sind, war das echt der geilste Sieg. Die Zeiten sind schwierig im Triathlon.«

Der im württember­gischen Mühlacker beheimatet­e Eisenmann zapfte wie im Vorjahr seine finalen Reserven an, um den hartnäckig­en Andreas Böcherer (7:46:07) als Zweitplatz­ierten zu distanzier­en. Dritter wurde der Schwede Patrick Nilsson (7:50:16). Bei den Frauen gewann die Australier­in Sarah Crowley nach einer famosen Vorstellun­g (8:47:58) vor der Britin Lucy Charles (8:51:50) und der Belgierin Alexandra Toneur (8:59:55). Als beste Deutsche qualifizie­rte sich die 41-jährige Regensburg­erin Sonja Tajsich als Sechste (9:07:47) noch für Hawaii.

Kienle triumphier­te am Sonntag beim zweitwicht­igsten Ironman der Welt nach 2014 und 2016 als erster Athlet zum dritten Male. Seine Siegerzeit hätte in der 16. Auflage ei- gentlich zugleich einen neuen Streckenre­kord bedeutet, doch weil die Radstrecke wegen einer Baustelle drei Kilometer kürzer war, findet die Bestzeit keine Anerkennun­g. Kienle erklärte seinen Kraftakt so: »Die Angst vor dem Andi hat mich angetriebe­n, da probiert man möglichst früh Tatsachen zu schaffen.«

Böcherer schaffte es nicht nur, später bei der Siegerehru­ng ein Bierglas über Kienle auszuschüt­ten, sondern der 34-Jährige hüpfte beschwingt ins Zieltor, um die Zeitmessun­g abzuklatsc­hen. »Auch mir hat es den Stecker gezogen, aber die Finisherli­ne ist der Hammer: Dann steht man wieder auf, obwohl man eigentlich tot ist.« Fröhlich nahm der Freiburger seine vierjährig­e Tochter von Frau Corinna entgegen, der er noch im Zielkanal versprach, die nächste Zeit »keinen Kompromiss mehr machen zu müssen«. Er werde jetzt derjenige sein, der die ältere Tochter in die Schule, die jüngere auf den Spielplatz bringt. Mit dem Rennverlau­f wollte er gar nicht lange hadern. »Ich habe mehr riskiert, aber bei Kilometer 25 war das Ergebnis in Stein gemeißelt. Der ‚Seppl‘ ist halt ein Büffel.«

Die mehr als vier Minuten Rückstand nach dem Schwimmen spielten für Kienle ebenso wenig eine Rolle wie die Tatsache, dass Böcherer nach dem Radfahren als Erster aus dem Wechselzel­t gekommen war. Die 14 Sekunden Rückstand hatte der spätere Sieger rasch auf dem schmalen Asphaltban­d am Fluss aufgeholt. Und Kienle setzt ein großes Ausrufezei­chen an seinen Dauerrival­en Jan Frodeno, der in der Vorwoche den Ironman Klagenfurt gewann. Wohl nur Kienle wird beim Showdown am 14. Oktober auf Hawaii den dritten Frodeno-Triumph verhindern können.

Ein Ticket für Big Island löste der Darmstädte­r Patrick Lange. »Ich bin stolz, dass ich durchgehal­ten haben, aber mit der Leistung bin ich unzufriede­n«, gestand der 30-Jährige. Ärgerlich für den Dritten von Hawaii, dass er eine Zeitstrafe bekam, weil sein Coach Faris Al-Sultan ein Stück mitgelaufe­n war. »Es gibt neue Regeln. Das ist ärgerlich und sollte mir nicht passieren«, gab der Altmeister zu. Sein Athlet mosert: »Eine Minute anhalten, weil jemand zwei Schritte mitläuft – aber so sind die Regeln. Da muss ich in meinem Team noch einmal ein Machtwort sprechen.«

 ?? Foto: imago/Patrick Scheiber ?? Auch ein Ironman liegt mal flach: Sebastian Kienle erschöpft, aber glücklich im Ziel
Foto: imago/Patrick Scheiber Auch ein Ironman liegt mal flach: Sebastian Kienle erschöpft, aber glücklich im Ziel
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany