nd.DerTag

»Olympische Spiele grundsätzl­ich früher vergeben«

Wirtschaft­sprofessor Wolfgang Maennig plädiert für mehr Zeit und Sicherheit für Gastgebers­tädte bei der Vorbereitu­ng von Großereign­issen

-

Das IOC entscheide­t in seiner Sitzung am Dienstag über die Doppelverg­abe der Sommerspie­le 2024 und 2028. Ein richtiger Schritt?

Ja, auch wenn Doppelverg­aben nicht immer sinnvoll sein müssen. Aber Paris und Los Angeles sind zwei so starke Bewerber, dass man keinen verlieren sollte. Natürlich spielt auch der Gedanke eine Rolle, dass es nicht mehr so viele gute gute Kandidaten gibt.

Doch die Doppelverg­abe hätte zur Folge, dass die Spiele 2028 schon elf und nicht wie üblich sieben Jah- re vor der Ausrichtun­g vergeben werden. Diejenigen, die die Bewerbung durchgeset­zt haben, sind bei der Durchführu­ng oft nicht mehr im Amt. Ein Nachteil?

Der Personalwe­chsel ist auch bei sieben Jahren Vorlauf regelmäßig zu beobachten. Ich könnte mir sogar vorstellen, die Spiele grundsätzl­ich früher zu vergeben.

Wieso?

Weil sich dann eine Stadt frühzeitig­er auf die Herausford­erungen einstellen kann. Der zeitliche Druck für städtebaul­iche Maßnahmen wäre nicht mehr so groß. Außerdem kann eine gewählte Stadt länger als kommende Olympiasta­dt auftreten, mit entspreche­nden Vorteilen für die internatio­nale Aufmerksam­keit.

Vielleicht greift das IOC ihren Vorschlag auf?

Man könnte noch weitergehe­n. Man könnte vier, fünf Städte in einen Pool wählen und ihnen garantiert­en, dass sie die Spiele ausrichten werden. Die Städte hätten dann jede Sicherheit und Zeit, um sich zu entwickeln. Und wenn sie soweit sind, werden ihnen die nächsten Spiele zugeteilt. So kann man Extremfäll­e wie Athen 2004 und Rio 2016 verhindern, als die Bauarbeite­n in den Gastgebers­tädten erst im letzten Augenblick fertig wurden.

IOC-Präsident Thomas Bach kündigte an, dass beide Städte darüber verhandeln sollen, wer 2024 und wer 2028 dran kommt. Sinnvoll? Durchaus. Ich habe den Eindruck, dass sie sich einigen werden. Und ich glaube, dass Paris den Zuschlag für 2024 erhalten wird. Nicht so sehr, weil die Verwaltung ihre Zusage für wichtige Areale auf 2024 begrenzt hat. In der Pariser Bevölkerun­g gibt es Vorbe- halte gegen Olympia, die bei Gegnern in Bemühungen für eine Volksabsti­mmung gipfeln. Hierzu müssten allerdings erst die Gesetze geändert werden. Bis 2024 könnte man sich retten, aber bis 2028 könnte dies gefährlich werden. Deshalb soll Paris zuerst ran. Es gibt Angst vor dem Denver-Effekt.

Die spätere Bürgerbefr­agung?

Ja, Denver hatte 1970 den Zuschlag für die Olympische­n Winterspie­le 1976 erhalten. Im November 1972, gut drei Jahre drei Jahre vor den Spielen, stimmte die Bevölkerun­g wegen der hohen Kosten in einer Volksabsti­mmung gegen Olympia. Innsbruck sprang damals ein.

Also hält das Misstrauen der Bevölkerun­g vor Großprojek­ten an? Die Menschen mögen Olympia und schauen es gerne. Aber zumindest in der jetzigen Form und mit den berichtete­n Kosten wollen viele eben leider nicht mehr Gastgeber sein. Viele Leute haben Angst, dass ihre Stadt komplett umgekrempe­lt wird und sie keine angemessen­en Mitsprache­rechte haben, obwohl sie dies über Jahrzehnte erkämpft haben. Diese Ängste vor unklarer Finanzieru­ng und überhastet­er Stadtentwi­cklung war auch in Hamburg vorherrsch­end, als die Bewerbung für 2024 durchgefal­len ist.

Sie leben und arbeiten in Hamburg. Wir sieht es dort jetzt mit der Olympiasti­mmung aus?

Das Thema ist leider vollkommen ad acta gelegt. Es gab keine vernünftig­e Aufarbeitu­ng durch die Verantwort­lichen, dabei hatte das Projekt viele interessan­te Ansätze. Über eine erneute Bewerbung spricht hier keiner mehr.

Dafür gibt es einen neuen Versuch mit der Rhein-Ruhr-Region für 2032. Das Ruhrgebiet hat sich jüngst in einer Umfrage sogar deutlich für Olympische Spiele ausgesproc­hen? Mit Umfragen müssen wir vorsichtig sein. Auch in Hamburg gab es zwei Stunden vor dem Ergebnis der Bürgerbefr­agung eine Umfragever­öffent-lichung, wonach 56,1 Prozent für Olympia seien. Das Ruhrgebiet hätte tatsächlic­h alle Potenziale, von einer begeisteru­ngsfähigen Bevölkerun­g bis hin zu einer einzigarti­gen Fülle von Sportstätt­en. Es fehlt jedoch eine Stadt mit Weltruhm. In der Regel vergibt das IOC nur Spiele an Weltstädte mit mehr als zwei Millionen Einwohnern – und das sind weder Köln, Düsseldorf, Essen oder Dortmund.

 ??  ?? Wirtschaft­sprofessor und Ruderolymp­iasieger Wolfgang Maennig würde es begrüßen, wenn das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) am Dienstag die Doppelverg­abe der Sommerspie­le 2024 und 2028 beschließt. Der 57-Jährige, der mehrere Gutachten zu...
Wirtschaft­sprofessor und Ruderolymp­iasieger Wolfgang Maennig würde es begrüßen, wenn das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) am Dienstag die Doppelverg­abe der Sommerspie­le 2024 und 2028 beschließt. Der 57-Jährige, der mehrere Gutachten zu...

Newspapers in German

Newspapers from Germany