nd.DerTag

Streit statt Einheit

Nelli Tügel über das Karlsruher Urteil in Sachen Tarifeinhe­it

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In einem seit Jahren schwelende­n Konflikt hat nun das Bundesverf­assungsger­icht vorerst das letzte Wort gesprochen. Das 2015 durch Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) auf den Weg gebrachte, bisher aber nicht zur Anwendung gekommene Gesetz zur Tarifeinhe­it wurde von den Karlsruher Richtern weitgehend bestätigt. Auch wenn Nachbesser­ungen zur Gewährleis­tung der Koalitions­freiheit gefordert wurden, folgten die Richter im Grundsatz der Arbeitsmin­isterin. Damit wird – anders als von Nahles behauptet – kein Frieden zwischen konkurrier­enden Gewerkscha­ften einkehren. Schon jetzt hat das Gesetz nur Zwietracht gesät, so zwischen den DGB-Brudergewe­rkschaften IG Metall und ver.di. Während erstere die Tarifeinhe­it unterstütz­t, hatte zweitere Verfassung­sbeschwerd­e eingelegt.

Schlimmer noch: Der Konkurrenz­kampf in den Betrieben, von dem Nahles sagt, er werde mit Hilfe des Gesetzes beendet, könnte jetzt erst richtig losgehen. Denn wenn künftig nur Tarifabsch­lüsse derjenigen Gewerkscha­ft gültig sein sollen, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat, dann werden alle versuchen, in die Mehrheitsp­osition zu kommen. Die bisher auf Berufsgrup­pen orientiert­en Spartengew­erkschafte­n könnten damit beginnen, auch andere Beschäftig­tengruppen zu organisier­en – und die Hoheit der DGB-Gewerkscha­ften anzugreife­n. Der Marburger Bund und die Spartengew­erkschafte­n im Flugverkeh­r haben derlei Pläne bereits angedeutet für den Fall, dass die Tarifeinhe­it wahr wird.

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