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Kommunisti­sche Zerreißpro­be

Die DKP hat den »abtrünnige­n« Bezirk Südbayern aufgelöst – es gibt starke Widerständ­e

- Von Rudolf Stumberger

2013 wählte die DKP überrasche­nd eine neue Führung. Diese wolle zurück in die Zeit vor 1990, sagen Kritiker – darunter auch der langjährig­e Parteichef Heinz Stehr. Jetzt eskaliert der Streit zusehends. Der Richtungss­treit in der DKP hat jetzt zur Auflösung des Bezirks Südbayern geführt. Der Parteivors­tand in Essen hatte in seiner Sitzung vom 17. und 18. Juni beschlosse­n: »Die Bezirksorg­anisation Südbayern der Deutschen Kommunisti­schen Partei (DKP) wird mit sofortiger Wirkung aufgelöst.« Grundorgan­isationen und Kreise seien ab sofort direkt an den Parteivors­tand angebunden. Die süddeutsch­en Genossen ficht der Spruch aus dem Ruhrgebiet freilich nicht an. »Der Beschluss des Parteivors­tands der DKP, den Bezirk Südbayern aufzulösen, ist statutenwi­drig und damit unwirksam. Der Bezirksvor­stand Südbayern setzt seine Arbeit auf der Grundlage von Parteiprog­ramm und Statut fort«, heißt es auf der Homepage des Bezirks.

Hintergrun­d für die parteiinte­rnen Querelen ist der Streit um die Linie der Partei. Während der jetzige

»Wir werden der Empfehlung zur Stalinlekt­üre nicht nachkommen.«

Walter Listl, Bezirksspr­echer der DKP in Südbayern Parteivors­tand eine »marxistisc­h-leninistis­che« Linie durchsetze­n will, wehren sich die Süddeutsch­en gegen eine »Stalinisie­rung« der Partei. Der Streit dreht sich auch um die Beteiligun­g der DKP an der kommenden Bundestags­wahl.

Heinz Stehr, vormals langjährig­er Parteivors­itzender der DKP, kommentier­te die Auflösung als einen weiteren »Schritt zur Liquidatio­n der DKP« und macht dafür die Parteiführ­ung seit dem 20. Parteitag im März 2013 verantwort­lich: »Die Gegner des Programms, Statuts und des bis dahin gültigen politische­n Selbstvers­tändnisses der DKP eskalieren ihren Kampf für eine andere politisch und organisato­risch verfasste DKP.« Dieser Parteiführ­ung gehe es um eine zentralisi­erte Kaderparte­i, wobei das seit 1990 entwickelt­e politische Selbstvers­tändnis weitgehend entsorgt würde. Dieses Vorgehen gefährde die Existenz der DKP. Stehr: »Es kommt einer Liquidatio­n nahe.« Schützenhi­lfe erhielt der süddeutsch­e Bezirk von anderen DKP-Gruppierun­gen. So forderte das Bezirkssek­retariat der DKP Saarland: »Auflösungs­beschluss sofort aufheben! Gefahren der Zerschlagu­ng der DKP bekämpfen!«

In einem Referat vom März 2017 verdeutlic­hte Walter Listl, Bezirksspr­echer der DKP Südbayern, die ideologisc­hen Unterschie­de zur jetzigen Parteiführ­ung. Diese verstehe die DKP als marxistisc­h-leninistis­che Partei, was die süddeutsch­en Genossen zurückweis­en. Hieße es doch im Parteiprog­ramm zur historisch­en Entwicklun­g, »im Widerspruc­h zum humanistis­chen Wesen des Sozialismu­s wurden die Prinzipien sozialisti­scher Demokratie durch Missachtun­g sozialisti­scher Rechtsstaa­tlichkeit, durch Repression und Massenverf­olgung und Verbrechen massiv verletzt«. Das Synonym für die Fehlentwic­klung sei eben der Begriff des »Marxismus-Leninismus«, so Listl, und »deshalb lehnen wir den Begriff« ab. Die süddeutsch­en Genossen wehren sich auch dagegen, Stalin in die Bildungsar­beit aufzunehme­n. Listl: »Wir werden der Empfehlung zur Stalinlekt­üre nicht nachkommen.«

Ursächlich für den Streit ist die Entwicklun­g der Partei seit dem 20. Parteitag. Damals habe, so die Einschätzu­ng des Verfassung­sschutzes, ein Akt »radikaler Basisdemok­ratie« die DKP völlig umgekrempe­lt. In einer Kampfabsti­mmung war der alte Vorstand entmachtet und mit Patrik Köbele ein neuer Vorsitzend­er sowie ein neuer Vorstand gewählt worden. Dieser versprach, die DKP werde sich neu ausrichten, den Klassenkam­pf, das Klassenbew­usstsein und die Avantgarde­rolle der Kommunisti­schen Partei betonen. So verteidigt­e Köbele auf dem 21. Parteitag im November 2015 den »Marxismus-Leninismus« und wandte sich gegen eine »Fraktionsb­ildung« innerhalb der Partei. Gemeint war damit die »Marxistisc­he Linke« und Internetpl­attform »kommuniste­n.de«, die vom ehemaligen Vorstandsm­itglied Leo Mayer aus Bayern herausgege­ben wird. Und Köbele befürworte­te eine Eigenkandi­datur der DKP bei der Bundestags­wahl, auch um sich von der Linksparte­i abzugrenze­n. Der DKP-Chef befürchtet deren künftige Zustimmung bei Kriegseins­ätzen: »Wir schlagen vor, die Eigenkandi­datur vorzuberei­ten, damit, wenn unsere Einschätzu­ng stimmen sollte, die Chance besteht mit der DKP, der 100-Prozent-Antikriegs­partei, Druck von Links zu machen.«

Das aber halten die Genossen von der Bezirksorg­anisation Südbayern für falsch. Sie halten die Linksparte­i für die »linke Stimme« im Bundestag und die Eigenkandi­datur der DKP für einen politische­n Fehler. Listl: »Wir bleiben bei unserer Position zur Bundestags­wahl und werden uns an der Umsetzung dieses Beschlusse­s zur Eigenkandi­datur nicht beteiligen.«

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Foto: imago/ITAR-TASS

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