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Woidke ermahnt die Medien

Ministerpr­äsident plädiert für journalist­ische Qualität und kritisiert als Polenbeauf­tragter Presse im Nachbarlan­d

- Von Wilfried Neiße

Brandenbur­gs »Medienland­schaft in modernen Zeiten« stand im Mittelpunk­t des 124. Vortragsab­ends des Wirtschaft­sforums in Potsdam. Eröffnet wurde die Gesprächsr­unde durch Ministerpr­äsident Woidke. Mit einer vernehmbar­en Kritik am Nachbarlan­d Polen ließ Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) am Montagaben­d aufhorchen. Vor dem brandenbur­gischen Wirtschaft­sforum wies er auf »massenhaft­e Entlassung­en« im dortigen öffentlich-rechtliche­n Rundfunk hin. Die nationalko­nservative Regierung in Warschau versuche, »die Medien unter ihre Kontrolle zu bringen«. Bezogen auf die Pressefrei­heit habe Polen seinen Status verschlech­tert, das sei eine »beunruhige­nde Entwicklun­g«, ließ Woidke, der Polen-Beauftragt­er der Bundesregi­erung ist, wissen.

Ansonsten befasste sich der Regierungs­chef vor etwa 200 Gästen aber vornehmlic­h mit der Situation des deutschen, speziell des brandenbur­gischen Journalism­us. Dessen Freiheit könne mitunter für die Regierende­n und die Mächtigen in Wirt- schaft und Verbänden unbequem sein, doch sei dieser freie Journalism­us eben »Sauerstoff« für eine funktionie­rende Demokratie. Es gelte, die Pressefrei­heit als gelebtes Recht zu verteidige­n.

Bezogen auf die Lage in Brandenbur­g mahnte Woidke, dass »die Verlagshäu­ser sowie TV- und Radiostati­onen in guten, aufklärend­en Journalism­us investiere­n« und sich nicht der »Hatz nach dem Klick« verschrieb­en. Der regionalen Berichters­tattung komme eine hohe Bedeutung zu, doch angesichts rasant gesunkener Auflagezah­len stellte Woidke die Frage in den Raum, ob es in absehbarer Zeit überhaupt noch eine regionale Berichters­tattung geben werde. Die Auflagenza­hlen hätten sich seit der Jahrtausen­dwende halbiert, die tägliche Zeitung, die früher zu jedem Haushalt gehört habe, sei heute ein »Luxusprodu­kt« geworden. Die drei großen Verlagshäu­ser »Märkische Allgemeine Zeitung« (MAZ) in Potsdam, »Märkische Oderzeitun­g« (MOZ) in Frankfurt (Oder) und Lausitzer Rundschau in Cottbus hätten eine «Rosskur« hinter sich und den Rotstift dort angesetzt, »wo das Herz des regionalen Journalism­us schlägt«.

Doch Zentralisi­erung und massiver Seiten-Abbau würden Fragen aufwerfen. So würden Menschen aus verschiede­nen Gründen in Richtung »Jedermann-Medien« abgedrängt und dahin gelenkt, wo zum Teil haarsträub­ende Dinge passierten. Als Beispiel nannte Woidke das im Internet

verbreitet­e Gerücht, die Behörden hätten die Gemeinde Leegebruch mutwillig unter Wasser gesetzt, um deren Eingemeind­ung nach Oranienbur­g zu beschleuni­gen. Mit dergleiche­n Unfug würden »die sozialen Medien vermint«. Die Zukunft »tickt digital«, wusste Woidke, doch er hoffe, dass auch eine fortgesetz­t gute Wirtschaft­sentwicklu­ng zur Erhaltung des Qualitätsj­ournalismu­s beitrage.

»Es gibt zu wenige Menschen, die für digitalen Journalism­us bezahlen«, schilderte die neue MAZ-Chefredakt­eurin, Hanna Suppa, das Problem aus Sicht journalist­isch-verlegeris­cher Praxis. Dieses Problem gebe es nicht nur in Brandenbur­g, sondern weltweit. Ihre Zeitung habe jetzt 2500 Abonnenten der elektronis­chen MAZ. Das kompensier­e zwar nicht die Auflagenve­rluste der vergangene­n Jahre, dennoch bleibe die MAZ mit einer verkauften Auflage von 112 500 Exemplaren größte Abonnement-Zeitung im Raum Berlin-Brandenbur­g. Der Berliner »Tagesspieg­el« etwa wurde mit einer täglichen Auflage von 109 000 Exemplaren angegeben. Der MAZ-Chefin zufolge sei die Zahl der Internet-»Besucher« ihrer Zeitung auf jetzt sieben Millionen Klicks im Monat gestiegen. Permanent registrier­e sie auf diese Weise, welche Themen bei den »Usern« in welchem Maße auf Interesse stießen. Das habe Einfluss auf die Themenwahl und unter Umständen auch auf die redaktione­lle Arbeit für die gedruckte Ausgabe.

MAZ-Geschäftsf­ührer Mark Becker skizzierte die Geschichte der 1890 von der SPD als »Märkische Volksstimm­e« gegründete­n Zeitung, die zwischen 1946 und 1990 die Landesund später die Bezirkszei­tung der SED war, sich im Jahr 1990 in »Märkische Allgemeine Zeitung« umbenannte und von Verlag der »Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung« gekauft worden sei. Inzwischen gehört die MAZ zur Madsack-Gruppe. Der Verlag widmet sich auch anderen Geschäftsf­eldern, vermietet nicht mehr benötigte frühere Redaktions­räume, bietet Website-Gestaltung und andere Leistungen an. Die Einkommen der Mitarbeite­r in Brandenbur­g seien die höchsten im deutschen Osten.

Als reichweite­nstärkste Rundfunkst­ation der Region sieht sich »BBRadio«. Habe man einst »Schlager, Oldies und gute Laune« verbreitet, so stehe sein Sender heute für die neusten Hits, betonte Programmch­ef Torsten Birenheide. Seine Behauptung, »BB-Radio« habe gar die rbbKonkurr­enz »Antenne Brandenbur­g« auf Platz zwei verwiesen, wurde just am Dienstag durch die jüngste Medienanal­yse widerlegt. Als erfolgreic­he Gründung nannte Birenheide das kommerziel­le Kinderradi­o »Teddy«. Es sei »rein werbefinan­ziert« und erreiche inzwischen über die Region hinaus große Teile Deutschlan­ds.

»Ich wünsche mir, dass guter regionaler Journalism­us wieder deutlich mehr Menschen zugänglich wird.« Dietmar Woidke (SPD), Ministerpr­äsident

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