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Eine Brücke wird abgebroche­n

Stiftung für deutsch-tschechisc­he Zusammenar­beit in Dresden muss Arbeit einstellen

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Seit 20 Jahren arbeitet die BrückeMost-Stiftung an der Vertiefung des deutsch-tschechisc­hen Verhältnis­ses. Nun muss sie aufgeben. Grund: die Zinspoliti­k in Europa. »Rübezahl und seine Freunde« heißt ein Seminar, zu dem die Brücke-MostStiftu­ng im Oktober nach Polen einlädt. Es geht freilich nicht um Märchen, sondern um Migration, die gerade im 20. Jahrhunder­t in der Geschichte Deutschlan­ds und Polens ein heißes Eisen war – Stichwort Umsiedlung und Vertreibun­g. Die Stiftung hat in den 20 Jahren seit ihrer Gründung viele solcher heiklen Themen in den Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und den Nachbarlän­dern Tschechien und Polen bearbeitet – immer im Bestreben, eine Verständig­ung jenseits gegenseiti­ger Schuldzuwe­isungen zu ermögliche­n. Bald ist damit freilich Schluss. Ende 2017, so wurde unlängst mitgeteilt, stellt die Stiftung ihre operative Arbeit ein.

Es ist ein herber Verlust für die Zusammenar­beit über die Grenzen hinweg. Die Stiftung, die von dem Freiburger Politologe­n Helmut Köser im Jahr 1997 gegründet wurde, ist eine von ganz wenigen privaten Institutio­nen, die sich um das Verhältnis zu Tschechien kümmert – und dabei, anders als lange Zeit die Vertrieben­en- verbände, auf Vorhalte und Vorbedingu­ngen verzichtet­e. In welchem Geist sie arbeitet, zeigt bereits ihr Name: »Most« ist das tschechisc­he Wort für Brücke. Es ist bezeichnen­d, dass sie ausgerechn­et im Jahr der deutschtsc­hechischen Erklärung gegründet wurde, die als »Versöhnung­sdeklarati­on« bezeichnet wird – und die in einem Exemplar in die Turmkugel jener Villa in Dresden-Striesen gelegt wurde, in der die Stiftung Veranstalt­ungen und Seminare abhält.

Dass sie diese Arbeit, die seit einigen Jahren auf Polen ausgedehnt wurde, bald einstellen muss, liegt laut Stiftung an der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k. Sie bewirke, dass die Erträge aus dem Stiftungsk­apital die Ausgaben nicht mehr decken, sagt Peter Baumann, der Ge- schäftsfüh­rer. Nach seinen Angaben sind die Einnahmen gegenüber 2004 auf gut 40 Prozent gesunken. Zwar gab es Sparmaßnah­men. So wurde ein Büro in Freiburg, der Heimatstad­t des Stifters, aufgelöst. Dennoch habe dieser Jahr für Jahr Geld nachschieß­en müssen – was nun beendet werden solle. Die Stiftung wird nicht aufgelöst; eigene Projekte führt sie aber nicht mehr durch.

Bisher unterbreit­ete sie vor allem für Jugendlich­e ein einzigarti­ges Angebot. Lange organisier­te sie an sächsische­n Schulen Gespräche mit tschechisc­hen NS-Zwangsarbe­itern und Überlebend­en des Holocaust. Später wurde das Repertoire ergänzt durch vielfältig­ste Veranstalt­ungen der politische­n Bildung: Jugendbege­gnungen, Familiense­minare, Stipendien, ein Kunstpreis. Ein Schwerpunk­t sei zunehmend der Umgang mit Rechtspopu­lismus gewesen, der in Tschechien und Polen ebenfalls grassiere, sagt Referentin Susanne Gärtner. Öffentlich wahrgenomm­en wurde die Stiftung vor allem als Ausrichter der deutsch-tschechisc­hen Kulturtage im Raum Dresden und Ústí nad Labem.

Gespräche dazu, wie deren Fortbestan­d auch nach Ende 2017 gesichert werden kann, gebe es derzeit, heißt es aus dem sächsische­n Ministeriu­m für Wissenscha­ft und Kunst. Die Kulturtage, die vom Freistaat mit 80 000 Euro im Jahr gefördert wurden, seien »von großem Stellenwer­t für Sachsen« – ebenso wie die weitere Bildungsar­beit der Stiftung, heißt es im Ressort von SPD-Ministerin EvaMaria Stange auf Nachfrage. Gleichzeit­ig weist man Klagen über eine in all den Jahren nie zustande gekommene feste Förderung zurück. Peter Baumann hatte dies damit erklärt, dass die grenzen- und genresüber­greifende Arbeit der Stiftung »überall durch die Raster gefallen« sei. Im Ministeriu­m verweist man indes darauf, dass es schon 2010 Konsolidie­rungsbedar­f gab, entspreche­nde Vorhaben aber vom Vorstand »wohl nur sehr zurückhalt­end umgesetzt« worden seien. Der Freistaat habe nicht die Möglichkei­t, jährliche Defizite einer privaten Stiftung »durch Zuführung von Fördermitt­eln abzubauen«.

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