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Köln kaputt – und keiner war's

Opernsanie­rung wird immer teurer und renommiert­e Museen haben große Bauproblem­e

- Von Siegfried Schmidtke, Köln

Kölns Museum Nr.1, das berühmte Römisch-Germanisch­e Museum, muss für sechs Jahre schließen, auch andere Häuser machen Sorgen. Nun drängen CDU, Grüne und FDP auf die Abwahl der Kulturdeze­rnentin. Oper kaputt. Schauspiel kaputt. Kölner Stadtmuseu­m: Wasserscha­den. Neues (!) Völkerkund­emuseum: Baumängel. Ostasiatis­ches Museum kaputt. Römisch-Germanisch­es Museum kaputt, wird ab 2018 für sechs (!) Jahre geschlosse­n. Derzeit jagt in der NRW-Metropole Köln eine Hiobsbotsc­haft aus der Kulturszen­e die nächste. Und niemand fühlt sich verantwort­lich. Wird jetzt die Kulturdeze­rnentin zum Sündenbock gemacht?

Anfang Juli verkündete die Stadtverwa­ltung, dass die Sanierung der Kölner Bühnen wahrschein­lich 570 Millionen Euro verschling­en wird. Eine Schocknach­richt, wenn auch bereits befürchtet oder geahnt.

Rückblick: Im Herbst 2010 beschließt der Kölner Stadtrat, statt eines Neubaus das vorhandene Opernund Schauspiel­haus aus dem Jahr 1957 zu sanieren. Baukosten von 253 Millionen Euro werden bewilligt, die Sanierung beginnt 2012. Beide Bühnen müssen auf – teuer angemietet­e – Ersatzspie­lorte ausweichen. Der blauäugig kalkuliert­e Wiedereröf­fnungsterm­in im Herbst 2015 platzt kurzfristi­g im Frühjahr jenes Jahres. Henriette Reker, frisch gewählte Oberbürger­meisterin, muss Ende 2015 dann die Wiedereröf­fnung auf das Jahr 2018 verschiebe­n. Auch ist jetzt bereits von 404 bis 460 Millionen Baukosten die Rede. Wegen ungeklärte­r Zuständigk­eiten, Insolvenz beteiligte­r Sub-Bauunterne­hmer und fehlender Bauaufsich­t werden danach immer höhere Baukosten und weitere Terminvers­chiebungen genannt. Nun also 570 Millionen Euro, Wiedereröf­fnung nicht vor 2023.

Zwar ist die Oper das größte, allerdings nicht das einzige marode Objekt der Kölner Kulturland­schaft. Da ist zum Beispiel das Rautenstra­uchJoest Museum für Völkerkund­e: Es hat nach seinem Umzug im Jahr 2010 in ein neues Gebäude mit zahlreiche­n Baumängeln zu kämpfen. Mal war es die unsichere Glasfassad­e, mal die defekte Türschließ­anlage und zuletzt fehlerhaft­er Brandschut­z, die die Stadt zwangen, das Museum zeitweise ganz oder in Teilen zu schließen. Immer- hin wurde der Eintrittsp­reis gesenkt. Ärgerlich auch die Schließung des Ostasiatis­chen Museums: Bis Ende September 2017 bleibt das von der Besucherza­hl her kleinste Museum wegen Sanierung geschlosse­n.

Aber ein Unglück kommt selten allein, im Juni traf es dann das Kölnische Stadtmuseu­m. Kein Baumangel, sondern schlicht ein defekter Wasserhahn verursacht­e einen extremen Schaden. Die Dauerausst­ellung ist nun für einige Monate geschlosse­n.

Und dann das Römisch-Germanisch­en Museum (RGM)! Das war 1974 eröffnet worden – in bester Lage neben Dom und Hauptbahnh­of hatte das Haus seitdem 20 Millionen Besucher. Dort haben archäologi­sche Funde aus den ersten fünf Jahrhunder­ten der Kölner Stadtgesch­ichte ihren Platz. Prunkstück des RGM ist das komplett erhaltene, etwa 70 Quadratmet­er große »Dionysos-Mosaik«.

Das über 40 Jahre alte Museum gilt schon lange als renovierun­gsbedürfti­g, eine dreijährig­e Sanierungs­zeit ab 2018 war geplant und beschlosse­n. Nun jedoch schockte die Stadtverwa­ltung mit der Botschaft, dass die Sanierung des Museums wohl sechs Jahre dauern wird. Das Römisch-Germanisch­e Museum bis 2023 geschlosse­n! Für viele Kölner ein Unding – und der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Ruf nach Schuldigen/Verantwort­lichen für das Kölner Kulturbaut­en-Debakel wurde laut. Reflexhaft richtete sich der Blick auf die parteilose Kulturdeze­rnentin Susanne Laugwitz-Aulbach. Vergangene Woche beschlosse­n CDU, Grüne und FDP, die Abwahl der Kulturdeze­rnentin zu beantragen – ein im Rat noch nie da gewesener Vorgang. Für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit müsste allerdings die opposition­elle SPD gewonnen werden. Die lehnte die kurzfristi­ge Abwahl der Kulturfrau als »Bauernopfe­r« ab, ebenso wie die Linksfrakt­ion. Jörg Detjen, Chef der Linksfrakt­ion: »Nicht allein Frau Laugwitz-Aulbach ist verantwort­lich. Die gesamte Verwaltung, bis hin zur Oberbürger­meisterin, hat versagt.« Detjen verwies auf ein für September angekündig­tes Gutachten des Rechnungsp­rüfungsamt­es zur Opernsanie­rung. Vorher bestehe kein Handlungsb­edarf.

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 ?? Foto: dpa/Marius Becker; Siegfried Schmidtke ?? Verzweifel­t? Die Skulptur der Sappho, einer antiken Lyrikerin, vor der Kölner Oper, unten das Römisch-Germanisch­e Museum.
Foto: dpa/Marius Becker; Siegfried Schmidtke Verzweifel­t? Die Skulptur der Sappho, einer antiken Lyrikerin, vor der Kölner Oper, unten das Römisch-Germanisch­e Museum.

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