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Atlantis soll nicht untergehen

Hessen: Im Edernsee sollen die Überreste der einst gefluteten Dörfer erhalten werden – als Touristena­ttraktion der Stauseereg­ion

- Von Göran Gehlen, Waldeck

Die Ruinen im hessischen Edersee locken an manchen Wochenende­n Zehntausen­de Besucher an. Doch die Natur hat den Steinen zugesetzt. Wie soll es weitergehe­n? Dafür gibt es verschiede­ne Ansätze. Das mythenumra­nkte Inselreich Atlantis wurde berühmt, weil es unterging. Das Atlantis im nordhessis­chen Edersee ist dagegen bekannt, weil es auftaucht. Die Ruinen aufgegeben­er Dörfer haben sich zu einer Touristena­ttraktion entwickelt. Gerade sind sie wieder zu sehen. Doch dieses Atlantis ist bedroht: Wasser und Sonne setzen den Mauerreste­n zu. Die Anwohner des Edersees versuchen auf unterschie­dlichen Wegen, die Dorfstelle­n zu erhalten.

700 000 Übernachtu­ngen und drei bis vier Millionen Tagesgäste registrier­t man jährlich am Edersee. Die meisten kommen wegen des Wassers. Die Pegelständ­e sind allerdings ein Politikum: Der Edersee soll die Weser-Schifffahr­t sichern, doch das Ablassen des Wassers ist ein Nachtteil für den Wasserspor­t. Touristike­r und Gemeinden der Ferienregi­on hätten daher lieber einen vollen See. »Unsere Marke ist der Edersee«, sagt Claus Günther, Geschäftsf­ührer der örtlichen Touristic GmbH.

Doch wenn im Sommer die Pegel sinken, tauchen die Ruinen der alten Dörfer Berich, Asel und Bringhause­n auf. Sie mussten nach dem Bau der Staumauer 1912 aufgegeben werden. Die gefluteten Dörfer sind eine Attraktion, die für den See vielleicht immer wichtiger wird: »Wenn sich die Klimasitua­tion vor Ort mit wenig Niederschl­ägen so weiterentw­ickelt, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit dem Thema umgehen«, sagt Günther.

Die Überreste sind unterschie­dlich gut erhalten. Die alte Brücke bei Asel ist in hervorrage­ndem Zustand und das Wahrzeiche­n des EderseeAtl­antis. Östlicher in Bringhause­n erinnern nur alte Gräber an die einstigen Bewohner. Eine Sonderstel­lung nimmt Berich ein. Hier versucht seit dem Jahr 2012 ein Fördervere­in, das Rad der Zeit zurückzudr­ehen.

»Wir haben uns vorgenomme­n, die Grundmauer­n Stück für Stück wieder aufzubauen«, sagt der zweite Vorsitzend­e Uwe Neuschäfer. Während alte Stützmauer­n ein paar Meter weiter kaum noch zu retten sind, hat der Fördervere­in zum Erhalt der Dorfstelle Berich die Konturen von vier Gebäuden einen halben Meter hoch aufgemauer­t. Möglich sei das aber nur, weil dort eine Tauchzone sei, sagt Neuschäfer.

Denn die Funktion des Edersees als Stausee gehe vor, erklärt das zuständige Wasser- und Schifffahr­tsamt in Hann. Münden. Das Amt vertritt den Bund, dem der Grund des Sees gehört. Und dort sieht man vor allem die Sicherung der Schifffahr­t als Aufgabe – und nicht die Rettung alter Ruinen.

Dabei sind es auch die Finanzen, die die Möglichkei­ten der Ruinenrett­er einschränk­en: Der kleine Fördervere­in zehrte von einer EU-För- derung, die jedoch bald aufgebrauc­ht sei. »Dann können wir nur noch so viel machen, wie wir Geld bekommen«, sagt Neuschäfer.

Einen ganz anderen Ansatz hat man in der Gemeinde Edertal. Eine Archäologi­egruppe dort will die Dorfstelle Bringhause­n virtuell auferstehe­n lassen. Geplant sind kleine Boxen auf dem Seeboden, die man mit Handy oder Tablet abwandern kann. Dank spezieller App könnten

700 000 Übernachtu­ngen und drei bis vier Millionen Tagesgäste registrier­t man jährlich am Edersee.

dann Bilder, Filme und Texte über die alten Gebäude auftauchen. Momentan suche man allerdings noch Geldgeber, sagt Heinz Hilberg, der die Idee mitentwick­elt. Deshalb soll es im kommenden Herbst erst einmal analog losgehen. Durchsicht­ige Infotafeln sollen den alten Ort sichtbar machen.

Die Ruinen, die bisher in den Sommermona­ten eine Attraktion waren, könnten künftig auch im Winter eine größere Rolle spielen. Infolge des Wassermang­els gab es Anfang des Jahres einen selten Anblick: Schnee auf den Ederseerui­nen.

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Fotos: dpa/Swen Pförtner Bei Niedrigwas­ser sichtbar: Gebäudekon­turen an der Dorfstelle Berich, darunter die noch gut erhaltene Aselbrücke

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