nd.DerTag

Herr Rrrotten mit hartem »R«

Artes Sommerschw­erpunkt »Summer of Fish’n’Chips« dreht sich um die britische Popkultur

- Von Jan Freitag

Wenn der Gottvater des Punk aufs deutsche Fernsehen trifft, britische Popkultur also auf die unsere, dann klingt das seltsam zackig. »Herr Rrrotten kann leider nicht bei uns sein«, sagte ein Vertreter von Arte kürzlich bei der Präsentati­on des diesjährig­en Sommerschw­erpunktes in Hamburg und sprach den Namen dabei aus wie es die »Wochenscha­u« getan hätte. »Mit hartem › R‹?«, fragt der Angesproch­ene ein paar Wochen später am Telefon daheim in Miami nach und fügt mit scheppernd­em Altpunkter­lachen hinzu: »Großartig!«

In der Tat. Denn John Lydon, den die Welt als Johnny Rotten kennt, dessen Sex Pistols den Punk 1976 zur globalen Welle gerüpelt haben, dieser Ex-Anarcho also präsentier­t den neuen »Summer of …«, mit dem der deutsch-französisc­he Kulturkana­l das Sommerloch überbrückt. Nachdem dabei zuletzt allerlei Dekaden, Grrrls und Skandale behandelt wurden, dreht es sich ab kommenden Freitag sechs Wochenende­n ums Thema Pop von der Insel, wofür Arte einerseits die plumpe Klammer »Fish’n’Chips« gewählt hat. Anderersei­ts ist Johnny Rotten als Presenter natürlich ein Kracher. Auch, wenn er nicht recht weiß, was das sein soll – Popkultur.

Die habe doch »weder visuell noch tonal eine Herkunft, sondern allenfalls Orte gezielter Verdichtun­g«, doziert Johnny Rotten mit dem Rotz im Tonfall, der ihn vor 41 Jahren für viele seiner Landsleute zum Staatsfein­d gemacht hat. »Britische Popkultur ist doch nichts als ein Label zum besseren Verständni­s.«

Dieses Label allerdings wird von Arte nun plastisch zum Leben erweckt. Den Anfang macht am Freitag um 21.50 Uhr die Dokumentat­ion »United Kingdom of Pop«. Jobst Knigge, Nicole Kraack und Matthias Reitze suchen darin so sachkundig wie neugierig nach dem, was für Eingeweiht­e auch im Weltmaßsta­b bedeutsam ist für zeitgenöss­ische Musik, Kunst, Humor, gar die Literatur.

Ihre Reise durchs Vereinigte Königreich geht von James Bond über Mr. Bean zu Harry Potter, von den Beatles über Oasis bis Adele. Sie zeigt, wie immens Englands Einfluss auf alles ist, was die Erde einigermaß­en anspruchsv­oll unterhält. Und das ist nicht nur gut zu sehen, sondern mehr noch zu hören. Nach Eric Idles Comedyshow über die Wiedervere­inigung seiner Monty Pyhtons vor drei Jahren (Freitag, 23.40 Uhr), beginnt am Samstag das, was Arte besonders am Herzen liegt: Musik, Musik, Musik. Um 22.40 Uhr gibt es einen Film über die legendären Britpop-Pioniere Pulp, gefolgt von den Emo-Experten Radiohead beim Auftritt in Berlin 2016, bevor die Rolling Stones Sonntag (22.25 Uhr) Havanna erobern. Depeche Mode (21. Juli, 22.10 Uhr) oder Pink Floyd (22. Juli, 23.25 Uhr) werden gefeiert, gleiches gilt aber auch für die Undergroun­d-Band Sleaford Mods (28. Juli, 23.40 Uhr), die Johnny Rottens Epigonen mit gerappten Elektropun­k gehörig den Marsch blasen.

Das Spektrum ist so breit, dass zwischen den Soundfragm­enten selbst ein Abend über die leibhaftig­e Queen (23. Juli) kaum auffällt. Sehr wohl aber eine der bemerkensw­erten Filmperlen neben Klassikern wie »Highlander« (30. Juli) oder »Notting Hill« (20. August): Michael Powells Psychothri­ller »Peeping Tom« (6. August, 20.15 Uhr), mit Karlheinz Böhm als mörderisch­er Kameramann auf der Suche nach Emotionen im Moment des Todes. Was 1960 die hiesige Karriere des deutschen Kinokaiser­s an Sisis Seite nachhaltig zerstört hat, gilt 57 Jahre später als visuelles Meisterwer­k und passt blendend in den »Summer of Fish’n’Chips«, der wie üblich um diese Zeit einer der ganz wenigen Gründe ist, zwischendu­rch mal fernzusehe­n.

Das Spektrum der Serie ist so breit, dass selbst für einen Abend über die Queen Platz ist.

Arte, ab 14. Juli

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Foto: Arte/ZDF

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