Keiner will für Bankenpleite haften
Anleger der abgewickelten Banco Popular in Spanien ziehen vor Gericht – doch wen können sie verklagen?
Zwischen Spanien und der EU ist Streit darüber ausgebrochen, wer für mögliche Entschädigungen von Anlegern der abgewickelten spanischen Banco Popular haften muss. Eine Klagewelle kündigt sich an. Es ist die erste Abwicklung einer Bank nach den seit 2015 gültigen neuen EU-Regeln: Anfang Juni entschied der Ausschuss des Einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus (SRB), diese bei der spanischen Banco Popular anzuwenden. Mittlerweile ist ein Streit darüber entbrannt, wer für etwaige Entschädigungen aufzukommen hat. Insgesamt 350 000 Aktionäre und Besitzer nachrangiger Anleihen haben zusammen rund 3,3 Milliarden Euro verloren.
Nach dem Abwicklungsmechanismus müssen erst solche Anleger bei einer Bankenpleite auf ihre Forderungen verzichten, bevor staatliche Gelder zur Stabilisierung eingesetzt werden dürfen. Damit sollen anders als in der Finanzkrise künftig Steuerzahler verschont werden.
In Sachen Banco Popular sind die EU-Kommission sowie die Europäische Zentralbank (EZB), bei der die Bankenaufsicht angesiedelt ist, angesichts der Klagen besorgt. Sie haben die spanische Regierung jetzt angewiesen, »intensiv zu überwachen«, welche Risiken aus Streitfällen entstehen können, die im Zusammenhang mit der Abwicklung der schlechten Bankteile und der Übernahme der guten durch die Großbank Santander zum symbolischen Preis von einem Euro stehen.
Vor dem Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel wies Madrid jede Verantwortung für eine Haftung von sich. So erklärte Wirtschaftsminister Luis de Guindos, dass alle Entscheidungen vom SRB getroffen worden seien. Deshalb werde der spanische Steuerzahler »keinen Euro bezahlen«. Der spanische Rettungsfonds FROB habe lediglich die Entscheidungen des SRB umgesetzt. Auf Nachfrage von Journalisten erklärte der Minister zudem, man habe bisher keine Vorstellung, um welche Summen es gehe.
Die Auffassung, dass Spanien die Verantwortung komplett auf europäische Institutionen abwälzen kann, wird freilich in Brüssel nicht geteilt. Zeitungen zitieren hochrangige Kreise in der EU-Kommission, laut denen die Geschädigten durchaus vor den Europäischen Gerichtshof ziehen könnten. Sie könnten aber auch in Spanien gegen den FROB klagen, da dieser den Plan umgesetzt habe, oder gegen die aktuelle oder frühere Führung der Banco Popular.
Tatsächlich schlagen die Kläger unterschiedliche Richtungen ein. Einige Strafanzeigen gegen Bankchefs wurden schon gestellt. Ferner hat die Anwaltskanzlei Cremadas & Calvo-Sotelo angekündigt, bis zum Fristablauf am 7. August eine Sammelklage gegen den Beschluss des Abwicklungs- gremiums einzureichen; bisher haben sich rund 1200 Kleinanleger angeschlossen. Zudem überlegt die Verbraucherschutzorganisation OCU, die bisher 17 000 Geschädigte vertritt, vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid den FROB zu verklagen.
Was die betroffenen Investmentfonds und Vermögensverwalter machen, ist noch unklar. Ein Zusam- menschluss, zu dem auch die AllianzTochter Pimco gehört, hat in einem von einer Londoner Anwaltskanzlei verfassten Brief das Europaparlament aufgefordert, die deutsche Chefin des Abwicklungsgremiums, Elke König, zu befragen. Darin wird kritisiert, dass Dokumente, auf deren Grundlage die Abwicklung beschlossen wurde, nicht veröffentlicht worden seien.
In Spanien wird der Unmut dadurch angefacht, dass die EU-Abwicklungsregeln auf zwei norditalienische Regionalbanken kürzlich nicht angewendet wurden. Dadurch seien italienische Kleinanleger verschont worden, während Spanier ihr Geld verloren hätten. Die Anwendung des weniger strengen italienischen Insolvenzrechts hatte SRB- Chefin König damit verteidigt, dass durch die Pleite der beiden kleinen Banken keine Folgen für die Realwirtschaft zu befürchten gewesen seien. Sogar der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und seine Kollegen aus Österreich und den Niederlanden mahnen eine Überprüfung an, denn die Unterschiede seien »schwer zu erklären«.