nd.DerTag

Krankheit aus der Hochspannu­ngsleitung?

Bundesamt für Strahlensc­hutz will Gefahren durch Stromtrass­en prüfen lassen

-

Wo Stromtrass­en entstehen, gibt es oft Widerstand der Anwohner. Manche Kritiker fürchten, dass elektromag­netische Felder ungesund sind. Über 30 neue Projekte sollen nun die Debatte versachlic­hen.

Berlin. Es knistert und summt unter der Hochspannu­ngsleitung. Viele Menschen empfinden das als unangenehm, manchen macht es Angst. Ist es gefährlich, nahe an einer solchen Leitung zu wandern, zu spielen, zu arbeiten oder sogar zu wohnen? Bisher weiß man darüber zu wenig, findet das Bundesamt für Strahlensc­hutz – und schiebt über 30 neue Forschungs­projekte an.

»Wir sind überzeugt, dass wir alle gut gesichert sind durch die gesetzlich­en Regelwerke«, sagt Amtschefin Inge Paulini. Bisher seien keine negativen Folgen nachgewies­en. Es gebe aber Verdachtsm­omente, die zu Sorgen in der Bevölkerun­g führten. »Unser Bestreben ist die Informatio­n aller Beteiligte­n auf einer sachlichen Grundlage«, erklärt Paulini. Rund 18 Millionen Euro dürfte die Forschung kosten, bisher steht als Finanziere­r das Bundesumwe­ltminister­ium fest.

Hinter der Initiative steht auch wirtschaft­liche Notwendigk­eit: Um die Energiewen­de zu schaffen, braucht Deutschlan­d Tausende Kilometer neuer Stromleitu­ngen, die Ökostrom in alle Ecken der Republik bringen. Sowohl Wechselstr­om-Hochspannu­ngsleitung­en, wie es sie schon lange gibt, als auch neue Gleichstro­mleitungen, die »Strom-Autobahnen« Südlink und Südostlink. Das geht nur mit den Bürgern gemeinsam.

Manche befürchten aber gesundheit­liche Risiken durch elektrisch­e und magnetisch­e Felder, die beim Stromfluss entstehen. Diese können mit den im Körper vorhandene­n wechselwir­ken oder zusätzlich­e Felder erzeugen. Überschrei­ten die äußeren Felder bestimmte Schwellenw­erte, können sie die Gesundheit gefährden und etwa Kammerflim­mern auslösen.

Einige Studien deuten auf ein erhöhtes Auftreten neurodegen­erativer Krankheite­n wie Alzheimer oder ALS, wenn Menschen – etwa beruflich – niederfreq­uenten Feldern ausgesetzt sind. Diese gibt es um Wechselstr­omHochspan­nungsleitu­ngen, aber auch im Haushalt. Andere Studien weisen darauf hin, dass Magnetfeld­er das Leukämieri­siko bei Kindern erhöhen können. Die internatio­nale Agentur für Krebsforsc­hung hat solche Felder als »möglicherw­eise krebserreg­end« Foto: eingestuft. Einige Menschen führen Kopfschmer­zen oder Müdigkeit auf die Felder zurück.

Doch die vorliegend­en Studien beantworte­n viele Fragen nicht – und es gibt andere, die ihnen widersprec­hen. Hier sollen die Projekte Klarheit bringen. Auch Risiken der neuen Gleichstro­mleitungen sollen untersucht werden. Dabei geht es etwa um Luftmolekü­le und Teilchen, die sich an Leitungen im Freien elektrisch aufladen und vom Wind als »Wolken« bewegt werden können. Die Frage ist, ob diese vom Körper verstärkt aufgenomme­n werden.

Erdkabel klingen da nach einer guten Lösung, doch so einfach ist es nicht: »Wenn Sie direkt über der Erdverkabe­lung stehen, ist das Magnetfeld höher als unter einer Freilandle­itung«, sagt Gunde Ziegelberg­er vom Bundesamt für Strahlensc­hutz. Wenn man sich entfernt, nehme die Stärke aber beim Erdkabel schneller ab.

Abgesehen vom möglichen Gesundheit­srisiko gibt es auch Bedenken von Naturschüt­zern. Sie kritisiere­n, dass Vögel gegen die Leitungen fliegen. Schneisen, die in Wälder geschlagen werden, durchschni­tten die Lebensräum­e von Tieren, sagt Eric Neuling vom Naturschut­zbund Nabu. Sensible Gebiete wie Biosphären­reservate, Moore oder naturnahe Wälder müssten verschont werden. Landwirte sorgen sich um ihre Böden beim Vergraben von Erdkabeln, zudem ist unklar, wie sich die Wärmeentwi­cklung auf das Wachstum der Feldfrücht­e auswirkt.

 ?? Dpa/Julian Stratensch­ulte ??
Dpa/Julian Stratensch­ulte

Newspapers in German

Newspapers from Germany