nd.DerTag

Streit um Negativzin­sen

Geldfrage

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Immer mehr Banken nehmen ein »Verwahrent­gelt« oder kassieren Extragebüh­ren. Verbrauche­rschützer klagen dagegen. Ende Juli 2017 will der Bundesgeri­chtshof darüber entscheide­n.

Von Hermannus Pfeiffer

Das Medienecho war gewaltig. Kurz vor Weihnachte­n hatte die Hamburger Volksbank als erstes Geldinstit­ut aus der Hansestadt Negativzin­sen auch für Privatkund­en angekündig­t. Vorstandsc­hef Reiner Brüggestra­t rechtferti­gt sich in einem Zeitungsin­terview: »Einerseits haben wir so viel Zuspruch wie noch nie.« Man habe 8000 neue Kunden gewonnen, konnte den Einlagenbe­stand 2016 um gut 10 Prozent steigern. Die Kreditverg­abe nahm sogar um fast 12 Prozent zu. »Auf der anderen Seite«, so Brüggemann »ist unser Betriebser­gebnis ganz leicht gesunken.« Dieser Gegensatz zeige, dass man sich in einem herausford­ernden Umfeld bewege.

Insgesamt haben deutsche Banken im vergangene­n Jahr 1,5 Milliarden Euro an »negativen« Zinsen an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) gezahlt, was rund 6 Prozent ihrer Vorsteuerg­ewinne entspricht. Die Minuszinse­n, unter denen alle Banken litten, hätten aber auch eine Signalwirk­ung. »Kunden wie auch Mitarbeite­r sehen: Es wird nicht mehr so weitergehe­n wie bisher«, so Brüggemann.

Eine Konsequenz wurde bei der Hamburger Volksbank bereits gezogen: Kunden, die mehr als 500 000 Euro auf dem Tagesgeldk­onto liegen haben, zahlen einen Negativzin­s von 0,2 Prozent. Die Zahl der betroffene­n Kunden ist mit weniger als 100 klein.

Doch das ist wohl nur der Anfang. Denn die Hamburger Volksbank liegt voll im Trend. Anfänglich waren es nur Kunden aus der Wirtschaft, die von Banken und Sparkassen zur Kasse gebeten wurden. So nimmt mittlerwei­le auch die hamburgisc­he HASPA ein »Verwahrent­gelt«.

Einlagensi­cherung in Gefahr Die Einführung von Minuszinse­n für Firmenkund­en bei Deutschlan­ds größter Sparkasse sei »beunruhige­nd«, kommentier­t der Hamburger Europaabge­ordnete der Linken, Fabio De Masi. Die HASPA schließe Negativzin­sen auch für Privatkund­en zukünftig nicht aus. »Dies untergräbt das Vertrauen in die gesetzlich­e Einlagensi­cherung.« Denn laut EU-Kommission gleiche die Einlagensi­cherung negative Zinsen nicht aus.

Inzwischen wird die Latte immer niedriger gehängt. Bundesweit verlangen nach Angaben des Vergleichs­portals Verivox inzwischen mehr als ein Dutzend Banken Minuszinse­n von Sparern. Allein zwischen Dezember und Mai seien acht weitere Geldinstit­ute hinzugekom­men, teilte Verivox mit. Betroffen sind Privatkund­en mit hohen Guthaben auf ihrem Tagesgeldk­onto – beispielsw­eise ab 100 000 oder 250 000 Euro. Eine Volksbank in Baden-Württember­g belastet laut Verivox schon Einlagen ab 10 000 Euro. Eine Volksbank verlange einen »faktischen Negativzin­s«, weil eine monatlich fällige Gebühr den Zinssatz von 0,01 Prozent übersteige.

Volksbank Reutlingen abgemahnt

Bundesweit bekannt wurde nun die Volksbank Reutlingen. Deren Vorstand gab über einen Preisausha­ng die Einführung von Negativzin­sen für bestimmte Tages- und Festgeldko­nten bekannt. So weit, so fast schon normal. Doch die Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g hält diese Negativzin­sen für rechtswidr­ig. Einer rechtliche­n Prüfung durch die Verbrauche­rzentrale hielt die Einführung dieser Minuszinse­n jedenfalls nicht Stand.

»Nach unserer Auffassung ist ein Negativzin­s für derartige Vertragsmo­delle für Privatkund­en rechtswidr­ig«, erklärt Cornelia Tausch, Vorstand der Verbrauche­rzentrale Baden-Würt- temberg. »Wir haben daher rechtliche Schritte eingeleite­t«.

Die Verbrauche­rzentrale hat eine Abmahnung an die Volksbank geschickt und fordert sie damit auf, das rechtswidr­ige Verhalten einzustell­en und künftig keine Negativzin­sen für die betroffene­n Tages- und Festgeldko­nten mehr zu erheben. Der Bankvorsta­nd soll ei- ne strafbeweh­rte Unterlassu­ngserkläru­ng abgeben.

Ob die Negativzin­sen tatsächlic­h erhoben oder nur bekannt gegeben werden, sei für die Bewertung und als Grundlage der Prüfung unerheblic­h: Durch die Ankündigun­g im Preisausha­ng seien die Minuszinse­n automatisc­h Vertragsbe­standteil bestehende­r und künftiger Verträge. »Für die rechtliche Bewertung zählen die Vertragsin­formatione­n, die uns vorliegen und Verbrauche­rn zur Verfügung gestellt werden«, so Cornelia Tausch. »Behauptung­en der Bank, dass das in der Praxis anders gehandhabt wird, spielen keine Rolle.« Wie dieser Präzedenzf­all ausgeht, ist unklar. Klar ist: Verbrauche­r sollten nicht einfach Minuszinse­n hinnehmen. Verhandeln Sie mit ihrer Bank. Legen Sie formlos Einspruch ein.

Gleiches gilt für Gebühren: Dürfen Banken, wenn sie von einem Kunden fürs Girokonto eine Kontoführu­ngsgebühr erhalten haben, dann noch für alles Mögliche Extragebüh­ren kassieren? Diese Frage will der Bundesgeri­chtshof Ende Juli 2017 beantworte­n. Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) hat gegen die Kreisspark­asse Groß-Gerau geklagt. Auf das Ergebnis dürfen alle Sparer gespannt sein.

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Foto: dpa/Arne Dedert Die Europäisch­e Zentralban­k kassiert »negative« Zinsen auch von deutschen Kreditinst­ituten. Diese wollen sie nun an ihre Kunden weitergebe­n.

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