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Klamovka

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Für »magisch« erklärte der Autor Angelo Maria Ripellino die Stadt Prag – und wenn Sie das lauwarme Lüftchen unter den Kastanienb­äumen in das Gartenrest­aurant Klamovka führt, können Sie ihm nur recht geben. Auf dem zauberhaft­en Ort lastet jedoch auch ein historisch­er Fluch.

Der Park und das ursprüngli­che Barockschl­össchen wurden im 18. Jahrhunder­t von der Adelsfamil­ie Clam-Gallas gebaut, daher »Klamovka«. Etwa 100 Jahre später kaufte der Bürgermeis­ter von Kosíre das Palais. Im Bestreben, möglichst viele Besucher in sein neues Gartenrest­aurant zu locken, finanziert­e er den Bau einer elektrisch­en Bahn von Andel aus. Das Projekt endete in Schulden, und der Bürgermeis­ter legte Hand an sich. Auch bei seinem Sohn lief nicht alles rund: Bei der Eröffnung des Park-Zoos riss sich der Bär von seiner Kette und ein kleines Kind in Stücke.

Heute ist Klamovka vor allem als inoffiziel­les Zentrum der Prager Dissidente­n in den 1980ern bekannt. Über der Theke wachte eine kolorierte Fotografie der »Madonna von Kosíre«, die einst der legendäre Wirt entdeckt hatte. Das Porträt der geheimnisv­ollen Dame wurde zum Logo der damals im Samisdat illegal herausgege­benen Zeitschrif­t »Revolver Revue«. Das Abbild überlebte aber die neue Ära nicht und wurde 1995 geklaut. Der Wirt musste wegen der hohen Miete aufgeben ...

»111 Orte in Prag, die man gesehen haben muss« – Matěj Černiy und Marie Peřinová entführen in versteckte Ecken der fasziniere­nden Stadt (Emons, 234 S., br., 16,95 €).

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