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Spannung à la 007

Der erfolgsgew­ohnte Christophe­r Froome musste die erste schwere Niederlage bei der Tour einstecken

- Von Tom Mustroph, Foix

Der Frannzose Romain Bardet hat am Donnerstag die 12. Etappe vor dem Kolumbiane­r Rigoberto Uran und dem Italiener Fabio Aru gewonnen. Titelverte­idiger Froome verlor 22 Sekunden und Gelb. »Der Morgen stirbt nie« lautet der Titel eines James Bond-Films, der vor 20 Jahren auch am Pyrenäenfl­ughafen von Peyragudes gedreht wurde – jenem Ort, an dem Chris Froome am Donnerstag erstmals die demütigend­e Erfahrung machen musste, das Gelbe Trikot zu verlieren.

Die Rolle des Bösen – aus britischer Sicht – hatte dabei der Italiener Fabio Aru. Wie bereits an der Planche des Belles Filles attackiert­e der italienisc­he Meister an der steilsten Stelle der Rampe, dieses Mal 500 Meter vor dem Ziel. Froome versuchte zu kontern, schickte erst seinen spanischen Adjudanten Mikel Landa vor, musste dann aber klein beigeben. »Ich hatte einen schwarzen Tag. Meine Beine konnten nicht mehr hergeben«, sagte er. Beine leer – man fühlte sich fast an Giovanni Trapattoni­s Was-erlauben-Struuunz-Tirade erinnert.

Zu Froomes Trauerstim­mung trug noch bei, dass auch der Franzose Romain Bardet an ihm vorbeizog und den Etappensie­g holte. Aru, Etappendri­tter, nahm dem Briten hingegen das gelbe Leibchen ab. Für Froome ein ganz bitterer Moment: Bisher hatte er, wenn er das »Maillot jaune« übernahm, es auch bis nach Paris getragen. 2013 war das so, da holte er das Gelbe Trikot auf der 8. Etappe, nach der ersten Bergetappe in den Pyrenäen. 2015 fiel ihm schon nach Etappe Nummer sieben, nach einem Sturz des Gelben Tony Martin, das Gelbe Trikot zu, das ihm niemand mehr nehmen konnte. 2016 war es wieder die erste Pyrenäenet­appe, bei der Froome zuschlug, dieses Mal als Abfahrtskü­nstler.

2017 sah er aber schon an der Planche des Belles Filles schwach aus – hier hatte er 2012 als Edelhelfer von Bradley Wiggins seinen ersten Touretappe­nsieg überhaupt geholt. Im Bergmassiv des Jura konnte er sich der Abfahrtsat­tacken von Bardet nur dank Kooperatio­n aller Verfolger erwehren. Und am 007-Drehort Peyragudes wurde er ganz eindeutig geschlagen.

Dem Briten ging es da so wie seinem fiktionale­n Landsmann Bond am Beginn des Films. Der fand sich in einem Hotelzimme­r mit der Leiche einer Ex-Geliebten wieder, daneben eine frische Zeitung mit der Schlagzeil­e, die auch seinen Tod verkündet. Am Bett sitzt bereits der Profikille­r, der die vorzeitige Nachricht in knallharte Realität verwandeln soll. Nun ja, Bond konnte sich des Profikille­rs erwehren. Der Film, in dem er Haupt- held ist, musste ja auch weitergehe­n. Im Szenario der Tour de France ist allerdings nicht Froome der Hauptheld; Protagonis­t ist die Große Schleife selbst. Und an dem Briten mit der Nummer 1 am Gesäß liegt es, ob er sich zurück in eine Protagonis­tenrolle bringen kann.

Die Lage für ihn ist nicht einfach. Sein Stolz gebietet es ihm, sofort zurückzusc­hlagen, bereits auf der hammerhart­en Etappe von Saint-Girons nach Foix die gewohnten Verhältnis­se wiederherz­ustellen. Sein Kopf gebietet ihm aber, kühles Blut zu be- wahren. Soll Arus Astana-Truppe doch Kräfte lassen bei der Verteidigu­ng von Gelb. Soll Bardets Ag2RBergtr­uppe sich mit Astana verbeißen. Ihm, Froome, bleiben noch die Alpen und erst recht das Zeitfahren, um wieder ganz nach vorn zu kommen. Kopf oder Herz – was gewinnt die Oberhand?

Die letzte erfolgreic­he Konteratta­cke der Tour de France unmittelba­r nach einem Absturz gelang Floyd Landis 2006. An einem schwarzen Tag in den Alpen verlor er zunächst acht Minuten und machte tags darauf in ei- nem Parforceri­tt siebeneinh­alb Minuten wieder wett. Der Amerikaner ließ aber die – verbotenen – Testostero­npflaster zu lange auf der Haut: Es folgten eine positive Dopingprob­e und später die Aberkennun­g des im Zeitfahren sicher gestellten Toursiegs. Ein schlechtes Omen. Bei Froome allerdings geht es nur um Sekunden, nicht Minuten. Und die Zeiten im Radsport haben sich ja auch geändert, wird immer wieder betont. Bond übrigens gewann seine Schlacht mit Minen und Raketen – im Radsport ebenfalls nicht erlaubt.

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Foto: dpa/David Stockman Nicht mal mehr am Hinterrad: Christophe­r Froome im Zielbereic­h der 12. Etappe

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