nd.DerTag

Die Regel wird zur Ausnahme

- Ellen Wesemüller über die fehlende Ausstattun­g für anderes Lernen

Es ist still geworden um das pädagogisc­he Konzept, das einst das Lernen revolution­ieren sollte. Das letzte Mal ging der Jahrgangsü­bergreifen­de Unterricht vor etwa vier Jahren durch die Medien, seitdem haben sich die Berliner Schulen einfach still und heimlich von ihm verabschie­det. Kein Brandbrief von Eltern oder Gewerkscha­ft mehr, kein Senatsbesc­hluss, der weitere Lockerunge­n zulässt: Es läuft ganz einfach aus.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mehr als die Hälfte der Berliner Klassen unterricht­et altershomo­gen, ab der dritten Klasse gibt es sogar neunmal mehr Regelklass­en. Umso unverständ­licher ist es, dass die Bildungsve­rwaltung weiter behauptet, JüL sei die Regelschul­art: Ist sie nicht.

Wenn die rot-rot-grüne Koalition es politisch will, und es sprechen pädagogisc­h gesehen mindestens so viele Studien dafür wie dagegen, muss sie dieses Konzept besser ausstatten. Dass sie es will, steht im Koalitions­vertrag. Wenn sie es gerade nicht stärken kann, weil Lehrer oder Räume oder sogar beides fehlen, muss sie sich etwas einfallen lassen – sonst bricht sie ihr eigenes Verspreche­n.

Darunter leiden die, die sowieso schon die schwersten Bedingunge­n haben: sogenannte Brennpunkt­schulen, an denen es statt Frontalunt­erricht viel mehr individuel­ler Betreuung und Förderung bedarf. Wenn diese Schulen vor JüL kapitulier­en, obwohl es eigentlich für sie gedacht war, dann stimmt nicht die Idee nicht, sondern die Umsetzung. Dass sich Schulen von JüL verabschie­den, ist dann nicht nur für die Pädagogen die bessere Wahl, sondern auch für die Schüler.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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