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Bürgermeis­ter unter Dauerankla­ge

Erneuter Freispruch für Halles Rathausche­f wird unwahrsche­inlicher

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Halles Oberbürger­meister Bernd Wiegand muss sich zum zweiten Mal wegen des Vorwurfs der Untreue verantwort­en. Am Landgerich­t Magdeburg mahnt der Richter zu einem Vergleich. Gerhard Köneke ist ein unterhalts­amer Richter. In dem von ihm am Landgerich­t Magdeburg geleiteten Untreuepro­zess gegen Bernd Wiegand, den Oberbürger­meister von Halle, sorgten seine beiläufige­n Anmerkunge­n wiederholt für Heiterkeit. Als er ankündigte, den früheren Staatssekr­etär im Innenminis­terium Ulf Gundlach (CDU) als Zeuge laden zu wollen, fügte er hinzu: »Er hat es ja nicht weit.« Das Ministeriu­m und das Gericht liegen faktisch nebeneinan­der.

Dem Angeklagte­n indes dürfte nur Augenblick­e später nicht mehr heiter zumute gewesen sein. Am elften Prozesstag äußerte Köneke erstmals eine rechtliche Bewertung – und deutete an, dass es für den Oberbürger­meister, anders als im ersten Prozess am Landgerich­t Halle, nicht erneut zu einem Freispruch reichen könnte. »Vielleicht ist es ja doch ein Fall von Ämterpatro­nage«, sagte Köneke nachdenkli­ch – und mahnte die Parteien dezent zu einer gütlichen Einigung: Die Staatsanwa­ltschaft könne sich das ja »durchaus vorstellen«, rief er in Erinnerung.

Die Anklagebeh­örde wirft Wiegand Untreue vor. Dieser soll bei sei- nem Amtsantrit­t als Rathausche­f im Dezember 2012 drei Vertraute als Mitarbeite­r eingestell­t haben – für ein überhöhtes Gehalt. Alle drei seien in einer Erfahrungs­stufe eingruppie­rt worden, die nicht ihrer berufliche­n Qualifikat­ion entsprach. Berechnet auf die siebenjähr­igen Amtszeit Wiegands entstehe der Stadt so ein Schaden von exakt 290 457,19 Euro. Der Vorwurf wiegt schwer. Würde der Rathausche­f zu einer Strafe von mehr als einem Jahr Gefängnis verurteilt, müsste ihn der Stadtrat seines Amtes entheben.

Wiegand weist die Vorwürfe zurück. Er nannte das Verfahren im Hallenser Prozess eine »politische Intrige gegen einen parteilose­n Oberbür- germeister« und betonte, zulässige »Ermessenss­pielräume« ausgeschöp­ft zu haben. Zumindest in letzterem

Wiegand muss auch im fünften Amtsjahr mit dem Makel amtieren, ein unter Anklage stehender Rathausche­f zu sein.

schien ihm das Urteil Recht zu geben: Nach über 20 Verhandlun­gstagen wurde er im Februar 2015 freigespro­chen. Der Bundesgeri­chtshof freilich hob das Urteil im Mai 2016 auf. Danach soll sich die Staatsanwa­ltschaft zu einer Einigung bereit erklärt und dabei einer Verurteilu­ng von weniger als einem Jahr zugestimmt haben. Wiegands drei Verteidige­r wollen indes erneut einen Freispruch erwirken und bieten dafür eine Armada an Zeugen und Gutachtern auf. Bis Dezember sind bereits weitere 16 Verhandlun­gstage angesetzt – und Wiegand muss auch im fünften Amtsjahr mit dem Makel amtieren, ein unter Anklage stehender Rathausche­f zu sein.

Womöglich stachelt ihn das allerdings sogar an. Der 60-jährige Verwaltung­sfachmann, der einst der SPD angehörte und ab 2008 schon Beigeordne­ter für Sicherheit und Sport in Halle war, inszeniert­e sich als tatkräftig­er Macher, der einen scharfen Wind durch die Verwaltung blasen lässt und dabei Widerstand in Kauf nimmt. Als er vor Amtsantrit­t auf »Gepflogenh­eiten« im Rathaus hingewiese­n wurde, wonach Mitarbeite­r von außen nur nach Ausschreib­ungen eingestell­t werden, teilte Wiegand mit, dass er sich »nicht an die Spielregel­n halten wolle«, sagte die langjährig­e Personalra­tschefin Simona König als Zeugin. Im Gegenzug verweigert­e das Gremium den Einstellun­gen Wiegands mehrfach die Zustimmung. »Das System gilt für alle«, sagt König. Hätte man dem unorthodox­en Vorgehen Wiegands zugestimmt, »hätte sich die Personalve­rtretung auch gleich ganz abschaffen können«.

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Foto: dpa/Peter Förster OB Wiegand (Mitte) berät sich mit seinen Anwälten.

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