nd.DerTag

Zeit sparen und auch Mühe

CDU und SPD verspreche­n Digitalisi­erung – übereinsti­mmend, aber streng getrennt

- Von Uwe Kalbe

»Das wird viel Zeit sparen, und auch Mühe, und Ärger vielleicht manchmal auch.« Angela Merkel über das künftige Bürgerport­al

SPD-Spitzenkan­didat Martin Schulz legte am Sonntag einen »Zukunftspl­an« für Deutschlan­d vor – mit Schwerpunk­ten aus dem Wahlprogra­mm. Und Ähnlichkei­ten zu dem der CDU. Die Politik führt schwere Geschütze in die Auseinande­rsetzungen vor der Bundestags­wahl am 24. September – die Geschütze der Digitalisi­erung. Denn Deutschlan­d ist, wie Angela Merkel am Samstag bekannte, ganz und gar nicht Spitze in Europa und gleich gar nicht Spitze in der Welt, was dieses Thema angeht. Deutschlan­d habe vielmehr großen Nachholebe­darf, so die Bundeskanz­lerin auf einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng der CDU in Zingst. Die Bürger sollen die Veränderun­gen bemerken und künftig Verwaltung­sangelegen­heiten über ein zentrales Internetpo­rtal erledigen, egal, ob es um ein Problem auf Bundes-, Lan- des- oder kommunaler Ebene geht. Kindergeld­antrag, Kita-Anmeldung oder Ummeldunge­n des Wohnorts, alles von einem Zugang aus. »Das wird viel Zeit sparen und auch Mühe, und Ärger vielleicht manchmal auch«, ließ Merkel 3000 herbeigest­römte Menschen an ihren Träumen teilhaben. Zingst liegt in Merkels Wahlkreis Vorpommern-Rügen, und die Kanzlerin bereist soeben auf einer Art Bädertour die Küste. Ihr Motto: »Für ein Deutschlan­d, in dem wir gut und gerne leben«. Eine digitale Revolution sieht Merkel kommen, und die Union soll dabei die revolution­äre Hauptkraft sein.

So ähnlich stellt es sich auch der SPD-Spitzenkan­didat, Parteichef Martin Schulz, vor – freilich mit den Sozialdemo­kraten als Avantgarde. Am Sonntag stellte Schulz seinen »Zukunftspl­an« für ein modernes Deutschlan­d vor. Darin ist auch von einem digitalen Deutschlan­dportal die Rede. »Wir werden ein Deutschlan­dportal für Bürger und Unternehme­n schaffen, in dem alle Formalität­en leicht und unbürokrat­isch abgewickel­t werden können«, zitierten eifrige Medien bereits daraus, noch bevor Schulz den Plan am Sonntagnac­h- mittag im Berliner Willy-BrandtHaus der Öffentlich­keit präsentier­t hatte. Im Zuge der Digitalisi­erung müsse auch der Staat online und rund um die Uhr erreichbar sein.

Es tut der guten Absicht keinen Abbruch, dass Schulz noch bis 2015 digitale Medien offenbar mit einer gewissen Zurückhalt­ung betrachtet­e; erst seitdem nutzt er ein Smartphone. Da hatte sich Merkel längst einen digitalen Führungsan­spruch als SMSKanzler­in ertippt.

SMS wird Schulz allerdings auch schon geschriebe­n haben, und überhaupt ist das die für den Wähler entscheide­nde Frage: Wie soll er sich nach Merkels und Schulz’ digitalen Zielerklär­ungen vom Wochenende bei der Bundestags­wahl zwischen beiden entscheide­n? Schon vor einigen Monaten hatten sich Bund und Länder schließlic­h auf genau dieselben digitalen Ziele geeinigt, sogar finanziell­e Konsequenz­en wurden vereinbart. Der Bund erhält mehr Pflichten und leitet daraus auch einige Rechte ab, trotz geltendem Nichteinmi­schungspri­nzip. Die Digitalisi­erung hat Folgen für Bildungsst­rukturen, die Ausbildung von Lehrern und vieles mehr.

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