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Kooperatio­n bei der Bankenregu­lierung steht auf der Kippe

Die Finanzmark­treformen sind auf internatio­naler Ebene längst ins Stocken geraten – in den USA droht nun sogar ein Roll-back

- Von Hermannus Pfeiffer

Zehn Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkris­e steht die Bankenregu­lierung immer noch auf wackligen Beinen. Und Donald Trump möchte den Banken schon wieder lange Leine lassen. Das eigentlich­e Kerngeschä­ft der G20, die Reform der internatio­nalen Finanzarch­itektur, ist längst in den Hintergrun­d der Gipfelkonf­erenzen abgeschobe­n worden. Das beklagt Rainer Falk, Chefredakt­eur des »Informatio­nsbriefs Weltwirtsc­haft & Entwicklun­g«, und sieht mehrere Gründe: So stecke der Multilater­alismus, also der Versuch, globale Probleme über globale politische Institutio­nen zu lösen, in der Krise. Auch scheinen Nationalis­mus und Protektion­ismus über eine Regierungs­führung zu triumphier­en, die internatio­nale Interessen angemessen berücksich­tigt.

Für das Stocken der Bankenregu­lierung gibt es einen weiteren Grund: Seit dem Ausbruch der Krise vor zehn Jahren sind viele neue Regeln für Banken aufgestell­t worden. Manche meinen, zu viele. Eine aktuelle Übersicht des Bundesverb­ands Öffentlich­er Banken über »kreditwirt­schaftlich wichtige Vorhaben der EU« umfasst 472 Seiten.

Zunächst hatten die führenden Industrie- und Schwellenl­änder mit einer abgestimmt­en Politik reagiert, um einen globalen Crash zu vermeiden und die entfesselt­en Finanzmärk­te wieder einzuhegen. Aus den G20-Gipfeln von London und Pittsburgh 2009 folgte ein Reigen an nationalen Regelungen sowie »Basel III«. In der Folge verfügen die globalen Banken heute über ein rund 1500 Milliarden Euro dickeres Risikopols­ter als 2007/08. Die Eigenkapit­alquote der Großbanken wurde von durchschni­ttlich sieben auf rund zwölf Prozent des ris- kanten Geschäftsv­olumens erhöht. Außerdem zwingt ein globaler Finanzstab­ilitätsrat »systemrele­vante Banken« dazu, zusätzlich­e Kapitalpuf­fer zurückzust­ellen. Für die Deutsche Bank sind es zwei Prozent extra.

Der frühere Bundesbank-Präsident und heutige UBS-Chef Axel Weber, eine der Schlüsself­iguren bei den Bankenrett­ungen, befürchtet nun eine Rundreise – die nächsten zehn Jahre werde man sich mit den Folgen der Anti-Krisen-Reaktion herumschla­gen müssen. Vor allem die »Umverteilu­ng« infolge der extremen Niedrigzin­sen der Zentralban­ken kritisiert Weber. Durch sie seien schwache Banken und Staaten durchgekom­men, ohne grundlegen­de Strukturre­formen vorzunehme­n.

Elke König, oberste EU-Bankenabwi­cklerin, schätzt die Lage optimistis­cher ein. Die Banken hätten mehr und besseres Kapital, nähmen ihre Liquidität ernster als vor zehn Jahren. Der Chef der Landesbank Hessen-Thüringen, Herbert Hans Grüntker, teilt den Optimismus auch bezüglich der öffentlich­en Institute. Die vier großen Landesbank­en seien fit für die Zukunft, trotz Altlasten wie Schiffskre­diten. Der Sektor sei »konsolidie­rt«, etwa indem Sorgenkind­er wie die Landesbank Sachsen und die WestLB teils eingeglied­ert und teils abgewickel­t wurden.

Jan Pieter Krahnen, Direktor des Zentrums für Finanzstud­ien, hält dagegen: Die Regulierun­g der Bankwirtsc­haft sei »nicht weitreiche­nd genug«. So habe in Italien gerade erst der Staat marode Institute mit Milliarden­spritzen gerettet. Eigentlich sollten nach EU-Recht nur noch die privaten Gläubiger haften.

Dennoch erscheint das Finanzsyst­em robuster aufgestell­t als vor der großen Krise. Doch die Mitte der 1980er Jahre begonnene Deregulier­ung der Finanzmärk­te wirkt weiter fort. Und einige neue Regeln belasten die Realwirtsc­haft. So müssen Banken für Staatsanle­ihen kein teures Kapital vorhalten – für Unternehme­nsfinanzie­rungen hingegen schon. Auch ist das Problem der unregulier­ten Schattenba­nken ungelöst.

Auf ihrem Hamburg-Gipfel bekannte sich die G20 zur Regulierun­g der Finanzmärk­te und zu »Basel III« – auch die USA, von denen ein Ausscheren befürchtet worden war. Wegen der Unberechen­barkeit von Donald Trump erscheint dies aber weiter möglich. Ein Gesetzentw­urf der Republikan­er, der den Banken wieder lange Leine lassen soll, nahm im Juni die erste Parlaments­hürde.

Dabei ist die wichtigste aufsichtsr­echtliche Reform noch nicht einmal abgeschlos­sen. Obwohl »Basel III« schon im Herbst 2010 vereinbart worden war, läuft die Übergangsz­eit bis 2019. Die USA und Großbritan­nien übertrugen die neuen internatio­nalen Standards zügig in nationales Recht, heißt es in einer Studie der Stiftung Wissenscha­ft und Politik. Dagegen setze die EU die Vorgaben »nur schleppend um«. Es sollen die angeschlag­enen Banken der Eurozone nicht zusätzlich belastet werden.

Weiter prallen zwei unterschie­dliche Banksystem­e wirtschaft­spolitisch aufeinande­r. In den USA und Großbritan­nien finden Finanzieru­ngen vor allem über den Kapitalmar­kt statt, in Europa dominiert der Bankkredit, gegen dessen Risiken »Basel III« wirken soll. Gestritten wird daher auch um den Spielraum für Großbanken bei der internen Risikobere­chnung. Gerade kleine Banken und Sparkassen bekommen durch die strengen Vorgaben und detaillier­ten Regularien Probleme. Zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkris­e steht die internatio­nale Kooperatio­n bei der Bankenregu­lierung wieder auf der Kippe.

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