nd.DerTag

Sogar die Flüchtling­e scheinen vergessen

Die CSU pflegt plötzlich vollständi­ge Harmonie mit der Kanzlerin / Aber die G20-Krawalle sind Wasser auf ihre Mühlen

- Von Rudolf Stumberger

Die CSU führt in Bayern einen beinahe schläfrige­n Wahlkampf. Außer, wenn sich einfache Gelegenhei­ten bieten – wie nach Hamburg. Das Plakat in der Münchner Innenstadt ist von Regen verwaschen und löst sich langsam, aber sicher vom Plakatstän­der ab. Abgebildet ist ein »CSU-Urgestein« – Peter Gauweiler, das Enfant terrible der Christsozi­alen. Er macht den Mentor für den hiesigen CSU-Bundestags­kandidaten München West/Mitte, Stephan Pilsinger. Eingeladen wird auf dem Plakat in den Augustiner­keller in der Arnulfstra­ße. Das Einladungs­datum ist irgendwann Ende Juni, also ist alles schon vorbei. Wahlkampf? Ist da irgendwas? In zwei Wochen beginnen in Bayern die großen Sommerferi­en und die dauern bis zum 11. September. Am 24. dieses Monats ist bekanntlic­h Bundestags­wahl.

Vielleicht liegt es an den Umfragen, dass die CSU dieses Mal scheinbar ohne großes Wahlkampfg­etöse auszukomme­n meint. Bei 49 Prozent liegt derzeit die Partei in den Umfragen, die in Bayern schon mehr als 50 Jahre regiert. Wer sich an die schrillen Töne aus Wildbad Kreuth zum Thema Flüchtling­spolitik erinnert, ist eher froh über die gegenwärti­ge Ruhe. Seit dem Auftritt von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) im Truderinge­r Festzelt vor einigen Wochen scheint die Sonne wolkenlos auf das Verhältnis der beiden Parteichef­s, das schon mal wegen der »Obergrenze« für Flüchtling­e von Sturm, Blitz und Donner geprägt war. Jetzt ist die große Harmonie ausgebroch­en, wie zuletzt bei der Klausurtag­ung des CSU-Landesgrup­pe im Kloster Banz zu besichtige­n. Das Thema Flüchtling­e ist derzeit aus dem Fokus der Politik und der Stammtisch­e gerückt, was auch der Rückgang des Zuspruchs für die AfD zeigt. Dass es auch anders geht, machen derzeit die österreich­ischen Nachbarn vor. Dort finden am 15. Oktober Nationalra­tswahlen statt, und Beobachter glauben, dass die Panzer am Brenner zur Abwehr nichtvorha­ndener Flüchtling­sströme allein aus Gründen des Wahlkampfe­s dorthin beordert wurden.

Ohne Zweifel ist auch für die CSU die Innere Sicherheit Thema Nummer eins im Wahlkampf. Dafür steht allein schon der Spitzenkan­didat der Partei, der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann. Der bekam jetzt üppige Schützenhi­lfe im Wahlkampf durch die Krawallbil­der vom G20Gipfel in Hamburg. Eine bessere Steilvorla­ge hätte sich der Law-andOrder-Mann nicht wünschen können. Kann er sich doch jetzt rühmen, dass die »bayerische Art des Hinlangens« Zustände wie in Hamburg nicht zulassen würde. Und die CSU ist in ihrem Element. So beendeten die CSUBundest­agsabgeord­neten ihre Klausur im Kloster Banz mit der Forderung nach mehr und besser ausgestatt­eten Sicherheit­skräften. 15 000 zusätzlich­e Stellen für die Polizei in Bund und Ländern sollen es mindestens sein. Landesgrup­penvorsitz­ende Gerda Hasselfeld­t warf zudem SPD, Grünen und Linksparte­i eine fragwürdig­e Haltung zu linken Gewalttäte­rn vor: »Es geht nicht nur um die Bekämpfung von Rechtsextr­emismus, von islamistis­chem Terror, sondern in gleicher Weise auch um die Bekämpfung des Linksextre­mismus. Da haben wir noch Nachholbed­arf bei den anderen Parteien«.

Dagegen ist die Forderung nach einer »Obergrenze« für Flüchtling­e, ohne die CSU-Chef Horst Seehofer eine Regierungs­beteiligun­g im Bund im Herbst angeblich platzen lassen wollte, offenbar nicht mehr ganz so wichtig. Sie ist jetzt – ähnlich wie Giftmüll – aus dem Wahlkampfp­rogramm der Union ausgelager­t in einen separaten »Bayernplan«. Den will Horst Seehofer am 23. Juli in München bei einem Bürgerfest im Olympiapar­k öffentlich vorstellen, was dann wohl auch der Höhepunkt des Wahlkampfe­s sein wird.

Ach ja, da ist ja noch die SPD. Martin Schulz soll neulich mal Wahlkampf in Bayern gemacht haben, heißt es. Unter anderem besuchte er das rote Kösching, eine kleine Gemeinde im Norden von Ingolstadt, eine linke Insel im tiefschwar­zen Meer der CSU-Wähler. Und Bayerns SPDGeneral­sekretär Uli Grötsch will die Hoffnung nicht aufgeben: »Ich bin mir sicher, dass die Wahlen auf den letzten Metern entschiede­n werden.«

»Es geht in gleicher Weise auch um die Bekämpfung des Linksextre­mismus.« CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t

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