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Vor die Ehe hat der Staat die Verwaltung­svorschrif­ten gesetzt

Viele gleichgesc­hlechtlich­e Paare freuen sich auf die »Ehe für alle«, doch die Standesämt­er haben noch keine Vorgaben zur Umsetzung

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Viele schwule und lesbische Paare können es kaum erwarten, ihr Recht auf Eheschließ­ung wahrzunehm­en. Bundesweit liegen den Standesämt­ern Anfragen vor. Doch die Verwaltung­smühlen mahlen langsam.

Berlin. Schon vor Inkrafttre­ten der »Ehe für alle« melden sich bundesweit Interessie­rte bei den Standesämt­ern. Wie eine Umfrage des Evangelisc­hen Pressedien­stes ergab, liegen in vielen Großstädte­n Anfragen schwuler und lesbischer Paare vor, die eine Ehe eingehen oder ihre eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft umwandeln wollen. Der Bundestag hatte am 30. Juni ein Gesetz beschlosse­n, nach dem die Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare geöffnet wird. Den Bundesrat passierte das Gesetz bereits.

Noch fehlt die Unterschri­ft des Bundespräs­identen. Wie das Präsidiala­mt mitteilte, ist der Beschluss noch nicht eingegange­n. Drei Monate nach Ausfertigu­ng soll die »Ehe für alle« in Kraft treten. Die Standesämt­er gehen davon aus, dass dies im Oktober oder November der Fall sein wird.

Seit 2001 konnten gleichgesc­hlechtlich­e Paare eine Lebenspart­nerschaft eingehen, die der Ehe weitgehend gleichgest­ellt war. Was fehlte, war etwa das Recht, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Dass schwule und lesbische Paare künftig auch »richtig« heiraten könne, ist nicht unumstritt­en. Auch eine Verfassung­sklage gegen das Gesetz ist möglich.

Das Interesse an der »Ehe für alle« ist regional unterschie­dlich. Während es im Berliner Bezirk Schöneberg- Tempelhof, dem Hauptstadt­bezirk mit den meisten Lebenspart­nerschafte­n, im Durchschni­tt vier Anfragen pro Tag gibt und sich in Leipzig bis Mitte der Woche gut vier Dutzend Paare erkundigte­n, gab es in Dresden sowie den bayerische­n Städten Ansbach, Aschaffenb­urg und Bamberg keine Anfragen. In Köln meldeten sich rund 30 Interessie­rte, in Stuttgart ein gutes Dutzend Paare, die heiraten wollen und 20, die ihre Lebenspart­nerschaft umwandeln wollen. In Frankfurt am Main gehen laut der Umfrage täglich Anfragen ein.

In Freiburg meldeten sich bis Ende der Woche sieben Paare. Dort überlegt nach Angaben der Stadtsprec­herin ein Paar, noch vor Inkrafttre­ten der »Ehe für alle« eine Lebenspart­nerschaft einzugehen, was danach nicht mehr möglich sein wird. Nur bereits geschlosse­ne Lebenspart­nerschafte­n können nach dem Beschluss des Bundestags bestehen bleiben.

Die Hannoveran­er Reinhard Lüschow und Heinz-Friedrich Harre, die am 1. August 2001 als bundesweit erstes Paar eine eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft eingegange­n waren, wollen dagegen »so schnell wie möglich ein Ehepaar werden«, wie Lüschow dem epd sagte. Er ist aber geduldig: »Ich bin selbst Beamter, also möchte ich den Kollegen im Standesamt erst mal die Chance geben, dass da irgendwelc­he Verfahrens­vorschrift­en entwickelt werden.«

Übereinsti­mmend teilen die Standesämt­er mit, sie müssten die Ausfertigu­ng des Gesetzes und die entspreche­nden Verwaltung­svorschrif­ten aus den Ministerie­n abwarten, bevor sie Angaben zu Terminen, Prozedere und Gebühren machen könnten. Einige Standesämt­er äußerten sich besorgt, ob sie genügend Personal haben. In Berlin, wo es nach Angaben der Senatsverw­altung bereits jetzt Engpässe bei Terminen für Eheschließ­ungen gibt, sollen etwa Ex-Standesbea­mte reaktivier­t werden.

In Köln hieß es, man wisse noch nicht, ob die Umwandlung einer Lebenspart­nerschaft in eine Ehe ein reiner Verwaltung­sakt sein solle oder eine Zeremonie erfordere. Zumindest für neue Eheschließ­ungen ist man in München sicher: »Die Zeremonie in den Standesämt­ern wird exakt genauso wie bei verschiede­ngeschlech­tlichen Brautpaare­n gestaltet werden«, hieß es.

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