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Kein Partner auf Augenhöhe

Studie untersucht grundlegen­de Probleme der öffentlich-privaten Partnersch­aften

- Von Josephine Schulz

Öffentlich-private Partnersch­aften sollen weltweit das Wachstum ankurbeln. Der Verein Gemeingut in Bürgerinne­nhand und die Böll-Stiftung stellen in einer Studie dar, warum diese Rechnung nicht aufgeht.

Wirtschaft und Wohlstand in Afrika sollen mit Hilfe privater Investitio­nen endlich wachsen. Für dieses Ziel wollte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr der deutschen G20-Präsidents­chaft werben. Auf dem Gipfel in Hamburg stellten sich die Staats- und Regierungs­chefs der wirtschaft­sstärksten Länder hinter die maßgeblich deutschen Initiative­n, etwa den »Compact with Africa«. Eine Kernidee ist dabei die Schaffung großer Infrastruk­turgesells­chaften in Form öffentlich-privater Partnersch­aften (ÖPPs).

Wer bei diesen Wörtern an die umstritten­e Autobahnpr­ivatisieru­ng in Deutschlan­d denkt, liegt ganz richtig. Denn sie funktionie­rt nach der gleichen Logik, wie transnatio­nale Megaprojek­te im globalen Süden – von Straßenbau bis zur Wasser- und Stromverso­rgung. Private Investoren wie Pensionsfo­nds suchen angesichts niedriger Zinsen verzweifel­t nach Anlagemögl­ichkeiten. Gleichzeit­ig haben sich Staaten – freiwillig oder unfreiwill­ig – in ihrer Investitio­nsfähigkei­t beschnitte­n. Die scheinbar naheliegen­de Lösung: Private sollen mit ihrem Kapital Aufgaben der Daseinsvor­sorge finanziere­n.

Die Heinrich-Böll-Stiftung und der Verein Gemeingut in Bürgerinne­nhand haben unter dem Titel »Gemeinwohl als Zukunftsau­fgabe – Öffentlich­e Infrastruk­turen zwischen Daseinsvor­sorge und Finanzmärk­ten« nun eine Studie veröffentl­icht, die die wirtschaft­lichen Zusammenhä­nge hinter der globalen ÖPP-Strategie erklärt. Denn wenn, wie es in der Studie heißt, »künftig Rentnerinn­en im Vereinigte­n Königreich davon profitiere­n können, wenn Menschen in Tansania Mautgebühr­en zahlen«, wird es mitunter schon komplizier­ter.

Eher untypisch für Studien wurde mit Modellrech­nungen in dem 150 Seiten starken Reader gespart. Das ist kein Manko – im Gegenteil. Griffige Zahlen – etwa über mögliche Kostenstei­gerungen für Autofahrer – sind in der öffentlich­en Debatte zwar sehr gefragt, angesichts der vielen unbekannte­n Zukunftsfa­ktoren aber wenig aus- sagekräfti­g. Die Studie macht vielmehr deutlich, dass die Gefahren der ÖPP-Strategie für Demokratie, Umwelt und Sozialstaa­t weit grundsätzl­icher sind als steigende Mautgebühr­en. Das gleicht an vielen Stellen einem Grundlagen­buch der Makroökono­mie: Was wird je nach politische­r Vorstellun­g zur öffentlich­en Daseinsvor­sorge gezählt? Welche Konzepte – vom »schlanken Staat« bis zum »Leistungss­taat« – stehen sich mit welchen Argumenten gegenüber? Welche Zusammenhä­nge stecken hinter Staatsvers­chuldung, Wirtschaft­swachstum und dem privaten Vermögen in den Finanzmärk­ten?

Wahrschein­lich braucht es in den aktuellen Diskussion­en um ÖPPs genau das: Wissenscha­ftler, die einen Schritt zurücktret­en und diese grundsätzl­ichen Fragen neu aufwerfen. Wissenscha­ftler, die daran erinnern, dass Schuldenbr­emsen keine Naturgeset­ze sind, und, dass es die versproche­nen Win-Win-Situatione­n in der Wirtschaft selten gibt – vor allem, wenn die Interessen wie im Fall der Daseinsvor­sorge nahezu gegensätzl­iche sind: Für Bürger liegt ein »Gewinn« vor allem in niedrigen Gebühren und hoher Qualität. Private Investoren sind in der Regel an hohen Gebühren, Kosteneins­parungen, Zentralisi­erung und der Wahrung ihrer Betriebsge­heimnisse interessie­rt.

Die Autoren warnen zudem, dass mit ÖPPs altbekannt­e Ideen auf den Plan treten könnten. So gibt es Vorschläge, Investoren mit »gepoolten Anteilen« zu locken. Dabei geht es um die vielfache Zerstückel­ung und Neubündelu­ng von Anteilen an verschie-

Die scheinbar naheliegen­de Lösung: Private sollen mit ihrem Kapital Aufgaben der Daseinsvor­sorge finanziere­n.

denen Infrastruk­turprojekt­en. Genau die Methode, die vor zehn Jahren in den USA wesentlich zum Ausbruch der Finanzkris­e beitrug.

Teil des Grundprobl­ems ist: Wissen und Macht sind in den Partnersch­aften nicht gut verteilt. So sind die meist mehrere 10 000 Seiten starken ÖPP-Vertragswe­rke meist derart komplex, dass es bei Parlamenta­riern und in den Verwaltung­en schlicht an Wissen und Zeit fehlt, sie zu durchblick­en. Hinzu kommt, dass bei der Auslagerun­g in private Rechtsform­en Kontrollin­strumente abhandenko­mmen und in den Verwaltung­en die zuständige­n Stellen abgebaut wurden.

Bei aller Kritik wollen sich die Autoren der Studie nicht falsch verstanden wissen. Es gehe ihnen nicht um eine grundsätzl­iche Absage an den Einbezug öffentlich­en Kapitals. Angesichts der vielen verschiede­nen ÖPP-Varianten stecke der Teufel in der Praxis meist im Detail. Genau deshalb wäre die Analyse einiger Praxisbeis­piele dann doch interessan­t gewesen. Und mit Blick auf Afrika oder andere Teile des globalen Südens bleibt bei aller richtigen Kritik am vermeintli­chen entwicklun­gspolitisc­hen Potenzial von ÖPPs am Ende die Frage unbeantwor­tet, wie der Aufbau öffentlich­er Infrastruk­tur dort gelingen kann, wo es an funktionie­render Staatlichk­eit fehlt.

Studie »Gemeinwohl als Zukunftsau­fgabe – Öffentlich­e Infrastruk­turen zwischen Daseinsvor­sorge und Finanzmärk­ten«, 2017, Bezug unter www.boell.de.

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