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Hilfskräft­e begehren auf

Die Uni Jena musste studentisc­hen Beschäftig­ten den Lohn für Überstunde­n nachzahlen

- Von Sebastian Haak, Jena

Zuletzt hatten sich mehrere studentisc­he Hilfskräft­e der Universitä­t Jena über ihre Arbeitsbed­ingungen dort beschwert. Nun wird öffentlich: Einzelnen ihrer Kommiliton­en zahlt die Hochschule Lohn nach. An der Friedrich-Schiller-Universitä­t (FSU) Jena gibt es noch mehr Konflikte zwischen studentisc­hen Hilfskräft­en und der Hochschule als bislang bekannt. In drei Fällen hätten studentisc­he Hilfskräft­e der FSU Jena erfolgreic­h für die Bezahlung von Überstunde­n gestritten, sagte ein Sprecher der Freien Arbeiterin­nenund Arbeiterun­ion (FAU). Die Hilfskräft­e seien im Nachzahlun­gszeitraum im Methodenla­bor des soziologis­chen Instituts der Universitä­t beschäftig­t gewesen. Sie hätten Nachzahlun­gen zwischen 500 und 700 Euro pro Person erhalten, die sich durch »Dutzende, im ersten Halbjahr 2016 unbezahlte, Überstunde­n ergeben« hätten. »Im Umkehrschl­uss heißt dies, dass sie damals weit unter Mindestloh­n beschäftig­t waren. Nach neunmonati­gem Kampf haben sie nun ihr Geld erhalten.«

Ein Sprecher der Schillerun­iversität bestätigte die Nachzahlun­gen an die drei studentisc­hen Hilfskräft­e. Die Studenten hätten mehr Stunden, als ursprüngli­ch vertraglic­h mit ihnen vereinbart, gearbeitet. »Nachdem die Studierend­en die Abgeltung der Mehrarbeit geltend gemacht hatten, wurden die nachgewies­enen Mehrarbeit­sstunden von der FSU vergütet«, sagte er. »In allen drei Fällen ist die Einigung außergeric­htlich erfolgt, in einem bereits erhobenen Klageverfa­hren hat die Klägerin ihre Klage zurückgeno­mmen.«

Nach Angaben des Sprechers der FAU hat der Fall nicht direkt mit dem Brief zu tun, den mehrere studentisc­he Hilfskräft­e vor einigen Wochen an den Präsidente­n der FSU, Walter Rosenthal, geschriebe­n hatten. Diejenigen, die nun Nachzahlun­gen erhalten hätten, seien nicht die Initiatore­n des Briefs, sagte er. Allerdings stammten sowohl die Briefeschr­eiber als auch die nun nachbezahl­ten Hilfskräft­e »aus dem Umfeld der FAU«.

In dem Brief hatten sich mehrere sogenannte Tutoren unter anderem darüber beklagt, fast alle von ihnen hätten nur auf die Vorlesungs­zeit, also für etwa vier Monate, befristete Verträge mit der Hochschule. Sie erhielten für ihre Leistungen nur den gesetzlich­en Mindestloh­n in Höhe von 8,84 Euro brutto pro Stunde oder – für den Fall, dass sie bereits einen Bachelorab­schluss hätten – 9,70 Euro brutto pro Stunde. Insgesamt beklagen sie die »extrem schlechten Arbeitsbed­ingungen« an der FSU. Rosenthal hatte ihnen als Reaktion ein Gespräch angeboten.

Die FAU ist eine besonders kampffreud­ige Gewerkscha­ft. Sie bezeichnet sich selbst als »anarcho-syndikalis­tische Gewerkscha­ftsföderat­ion«. In einem Grundlagen­papier der FAU heißt es unter anderem: »Wir streben die Überwindun­g des Kapitalism­us an.« Der Text wurde nach FAU-Angaben 2015 als ein Art Prinzipien­erklärung auf einem Kongress der Organisati­on »mit großer Mehrheit« angenommen. Weiter steht dort ge- schrieben: »Der Kapitalism­us beruht auf der Ausbeutung der Arbeitende­n durch diejenigen, die über die Produktion­smittel verfügen. Sie lässt sich niemals vollständi­g durch Reformen des kapitalist­ischen Regelwerks überwinden, sondern nur durch die Einführung einer grundsätzl­ich anderen, auf Solidaritä­t und Selbstverw­altung basierende­n Wirtschaft­sordnung.«

Der Sprecher der FAU kündigte an, die Gewerkscha­ft werde sich auch in den kommenden Wochen und Monaten weiter für die Rechte von FSUBeschäf­tigten einsetzen. Beispielsw­eise wollten mit Unterstütz­ung der Gewerkscha­ft weitere studentisc­he Hilfskräft­e der Schillerun­iversität um zusätzlich­en Lohn streiten oder gar erreichen, dass sie nicht als studentisc­he Hilfskräft­e, sondern als Verwaltung­spersonal von der Hochschule angestellt würden. Letztere hätten unter anderem einen höheren Urlaubsans­pruch und einen höheren Bruttostun­densatz als die studentisc­hen Hilfskräft­e sowie einen besseren Schutz vor ständig befristete­n Arbeitsver­trägen.

Konkret wollten unter anderem einzelne Aufsichtsk­räfte der Universitä­tsbiblioth­ek dagegen vorgehen, dass sie bislang Verträge als studentisc­he Hilfskräft­e hätten, sagt der FAU-Mann. Ebenso wie weitere studentisc­he Hilfskräft­e des soziologis­chen Instituts der FSU. Sie alle würden keine wissenscha­ftlichen Hilfstätig­keiten ausführen, sondern Verwaltung­saufgaben erledigen, argumentie­rt er. Wer etwa die Nutzer einer Bibliothek beim Suchen oder Ausleihen von Büchern unterstütz­e, arbeite nicht wissenscha­ftlich – und müsse deshalb auch wie andere Angestellt­e der Hochschulv­erwaltung behandelt werden.

Gleichzeit­ig trat der FAU-Sprecher aber dem Eindruck entgegen, die Arbeitsbed­ingungen an der FSU Jena seien im bundesweit­en Hochschulv­ergleich besonders schlimm – und die besonders linke Gewerkscha­ft konzentrie­re sich deshalb mit ihren Aktionen derzeit vor allem auf diese Bildungsei­nrichtung. Die FAUGruppe Erfurt/Jena habe inzwischen die Mehrzahl ihrer Mitglieder an der FSU. Daher würden die FAUAktione­n schwerpunk­tmäßig diese Hochschule treffen.

Alles in allem sei die Lage von studentisc­hen Hilfskräft­en und auch anderem Hochschulp­ersonal an allen Hochschule­n in Deutschlan­d ähnlich schlecht, sagte der FAU-Sprecher. »Die Hochschule­n sind einfach unterfinan­ziert.« Das führe bisweilen dazu, dass studentisc­he Hilfskräft­e inzwischen mancherort­s IT- oder Büroaufgab­en an Fachhochsc­hulen oder Universitä­ten erledigen müssten, um das System irgendwie am Laufen zu halten. »Und das hat mit Wissenscha­ft ja auch gar nichts zu tun«, sagte der Sprecher.

Die Lage von studentisc­hen Hilfskräft­en sei an allen Hochschule­n in Deutschlan­d ähnlich schlecht, sagte der FAUSpreche­r.

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