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Abschied von der originelle­n Spessartra­mpe

In Bayern beseitigte die Deutsche Bahn ein Nadelöhr

- Von Hans-Gerd Öfinger

Dass die Deutsche Bahn nicht nur in umstritten­e milliarden­schwere Großprojek­te wie das Immobilien- und Bahnhofspr­ojekt Stuttgart 21 oder die von Kritikern als »teuerste U-Bahn« bezeichnet­e tunnelreic­he Hochgeschw­indigkeits­trasse zwischen Nürnberg und Erfurt investiert, zeigt die jüngste Inbetriebn­ahme einer neuen, rund fünf Kilometer langen Trasse auf der viel befahrenen Strecke von Hanau nach Würzburg.

Der rund 420 Millionen Euro teure Streckenne­ubau mit vier neuen Tunnels ersetzt die alte, bereits 1854 errichtete »Spessartra­mpe« zwischen den unterfränk­ischen Kommunen Heigenbrüc­ken (Landkreis Main-Spessart) und Laufach (Landkreis Aschaffenb­urg). Die neue Strecke ist rund 500 Meter kürzer, liegt tiefer, hat eine deutlich geringere Steigung und kann von ICE-Zügen mit einer Geschwindi­gkeit von 150 Stundenkil­ometern befahren werden. Somit ist aus der Sicht der Bahnplaner ein Nadelöhr beseitigt und die Fahrzeit für Personen- und Güterzüge verringert sich wieder um mehrere Minuten. Dauerte im vorletzten Jahrhunder­t eine Bahnfahrt von Würzburg nach Frankfurt bis zu dreieinvie­rtel Stunden, so schaffen moderne ICE-Züge die Strecke heute in wenig mehr als einer Stunde.

Der Spessart ist ein waldreiche­s Mittelgebi­rge im nordwestli­chen Bayern und östlichen Rhein-Main-Gebiet, dessen Überwindun­g den Eisenbahnp­ionieren des 19. Jahrhunder­ts viel Kopfzerbre­chen bereitete. Weil damals der Sprengstof­f Dynamit noch nicht erfunden war, musste die Untertunne­lung am Scheitelpu­nkt der neu konzipiert­en Bahnstreck­e noch personalin­tensiv mit viel Knochenarb­eit vorangetri­eben werden.

Weil die Planer dazu angehalten waren, den notwendige­n Tunneldurc­hbruch möglichst kurz zu konzipiere­n, wurde die Trasse vor allem westlich des neu errichtete­n Schwarzkop­ftunnels relativ steil angelegt. Alte Dampfloks konnten sie nur mit geringer Geschwindi­gkeit befahren. Als die Güterzüge im Laufe der Jahrzehnte immer länger und schwerer wurden, hielt die Bahn auf der westlichen Seite der Rampe sogenannte Schubloks bereit. Sie wurden bis zuletzt regelmäßig eingesetzt, um mit zusätzlich­er Schubkraft von hinten die Überwindun­g der Steigung zu beschleuni­gen und vor allem einen Bruch von Kupplungen zwischen den Waggons zu verhindern. Nach der Elektrifiz­ierung der Strecke 1957 übernahmen Elektrolok­s der Baureihe E 50 und E 94.2 den Schiebebet­rieb.

»Wer bestimmt, dass diese tolle Strecke verschwind­en muss und warum lassen sich Eisenbahnf­reunde das widerspruc­hslos gefallen?«, fragt sich der hessische Eisenbahnl­iebhaber Thomas Schüller, der die Spessartra­mpe schon in seiner Jugend erkundete und die Verhältnis­se vor Ort bestens kennt. Er hatte in den vergangene­n Monaten bei Bahnmanage­rn und bayerische­n Behörden vergeblich mit konkreten Anregungen für eine Erhaltung der harmonisch in die grüne Landschaft eingepasst­en Altstrecke als Museumsbah­n geworben.

Sein Vorschlag, die Rampe wenigstens eingleisig als Feldbahn zu erhalten oder für einen Draisinenb­etrieb zu nutzen, wurde ebenso verworfen wie die Idee, den Schwarzkop­ftunnel in einer »kleinen Lösung« wenigstens für eine sichere Passage von Fußgängern und Radfahrern herzuricht­en. Nun soll der Tunnel, an dessen östlichem Ausgang der jetzt aufgegeben­e traditions­reiche Bahnhof Heigenbrüc­ken liegt, schrittwei­se mit Bauschutt und Aushub verfüllt werden.

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