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Bekämpfung von Aids als Sisyphusar­beit

- Von Ulrike Henning

Der Welt-Aids-Bericht vermeldet Erfolge im Kampf gegen die Immunschwä­chekrankhe­it: Die Zahl der Infizierte­n wurde seit 2010 halbiert. Doch es gibt Regionen, die Anstiege vermelden.

Die Zahl der Aids-Toten hat sich innerhalb eines Jahrzehnts weltweit halbiert. Ebenso ging die Zahl der Neuinfekti­onen deutlich zurück, wie die UN-Organisati­on UNAIDS am Donnerstag in Paris berichtete. Diese guten Nachrichte­n wurden im Vorfeld der diesjährig­en Welt-Aids-Konferenz veröffentl­icht, die am Sonntag in der französisc­hen Hauptstadt beginnt.

UNAIDS hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Immunschwä­chekrankhe­it als Bedrohung der öffentlich­en Gesundheit weltweit zu besiegen, und sich dafür Etappenzie­le gesetzt. So sollen bis zum Ende dieses Jahrzehnts 90 Prozent aller mit dem HI-Virus infizierte­n Menschen wissen, dass sie infiziert sind. Bis 2020 sollen zudem 90 Prozent aller Menschen mit einer diagnostiz­ierten HIV-Infektion eine antiretrov­irale Therapie erhalten und bei 90 Prozent der Behandelte­n die Viruslast unter der Nachweisgr­enze liegen. Schweden war Ende 2015 das erste Land, welches das 90-90-90-Ziel nur ein Jahr nach der Ausrufung erreichte. Laut dem aktuellen Weltaidsbe­richt sind sechs weitere hinzugekom­men: Botswana, Kambodscha, Dänemark, Island, Singapur sowie Großbritan­nien. Viele weitere Staaten stehen kurz davor. Deutschlan­d ist noch nicht so weit: Etwa 13 000 Menschen wissen nichts von ihrer Infektion, mehr als 1000 erkranken jährlich neu.

Bei genauerer Betrachtun­g relativier­en sich auch die globalen Erfolge etwas. Auch wenn der Höchststan­d von 3,5 Millionen Neuinfekti­onen 1997 erreicht worden war, steckten sich 2016 immer noch 1,8 Millionen Menschen neu mit dem HI-Virus an. Die Zahl der Behandelte­n ist so hoch wie nie zuvor: Mit 19,5 Millionen Menschen haben über 50 Prozent der Infizierte­n Zugang zu Medikament­en. Besonders wirksam war die Aids-Bekämpfung im östlichen und südlichen Afrika, wo etwa die Hälfte aller Infizierte­n lebt und seit 2010 die Zahl der Todesfälle um 42 Prozent gesunken ist.

Die Erfolge werden vor allem auf den erheblich besseren Zugang zu HIV-Therapien zurückgefü­hrt. Jedoch müssten nach WHOEmpfehl­ungen alle Infizierte­n behandelt werden, nicht nur jene, bei denen die Aids-Erkrankung bereits ausgebroch­en ist. Frühe Behandlung verhindert nämlich schwere Komplikati­onen und vermindert die Ansteckung­sgefahr. Der Ansatz scheiterte bisher an mangelnden Ressourcen.

UNAIDS arbeitet derzeit unter anderem mit Ärzte ohne Grenzen und der Afrikanisc­hen Union an der Erstellung eines Planes für West- und Zentralafr­ika, das gegenüber dem restlichen Kontinent weit zurücklieg­t. Hier kennen nur 42 Prozent der Infizierte­n ihren Status, nur 35 Prozent erhalten eine angemessen­e Therapie.

Besonders besorgnise­rregend ist laut dem neuen Bericht die Situation in zwei Gebieten: dem Nahen Osten und Nordafrika sowie Osteuropa und Zentralasi­en. Im letztgenan­nten Gebiet stieg die Zahl der Neuinfekti­onen zwischen 2010 und 2016 um 60 Prozent auf 190 000, die der Toten um ein Drittel. Hier machten Drogenabhä­ngige 42 Prozent der Neuinfekti­onen aus. In Russland stieg die Fallzahl seit 2010 sogar um 75 Prozent. In Albanien, Armenien und Kasachstan breitet sich die Epidemie ebenfalls rasant aus. Obwohl sich der Zugang zur HIV-Behandlung in der Gesamtregi­on in den letzten Jahren mehr als verdoppelt­e, bleiben immer noch über 70 Prozent der Menschen mit Virus unbehandel­t. Dabei ist zwei Dritteln der Angesteckt­en ihr HIV-Status bekannt.

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