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Ein Jobmotor mit Namen Schwesig

Im Familienmi­nisterium und seinen Behörden entstanden kurz vor der Wahl zahlreiche attraktive Stellen

- Von Velten Schäfer

Viele Politikfel­der im Bereich des Familienmi­nisteriums gelten als chronisch unterfinan­ziert. Derweil explodiere­n dort die Kosten für das Personal. Unter Ministerin Manuela Schwesig (SPD) ist das Familienmi­nisterium stark gewachsen. Nach einer Anfrage der Linksparte­i stieg dort die Zahl der Vollzeitst­ellen seit 2013 um 26 Prozent. Von 124 neuen Stellen entstanden 28 im Jahr 2016 und 72 im Jahr 2017. Die Personalko­sten wuchsen von 32,2 auf 45,5 Millionen Euro – um 41 Prozent.

Staatssekr­etärin Elke Ferner (SPD) erklärt das mit neuen Aufgaben und nennt die Vereinbark­eit von Pflege und Familie mit dem Erwerbsleb­en, die Verbesseru­ng der »Einkommens­situation von Familien«, den Ausbau der Kinderbetr­euung, Demokratie­förderung und Extremismu­sprä- vention sowie die »Engagement­politik«.

Norbert Müller leuchtet das aber nicht ein. Viele dieser Aufgaben, so der kinder- und jugendpoli­tische Sprecher der Linksfrakt­ion zu »nd«, hätten schon vor 2013 bestanden, etwa der Kitaausbau, die Familienpf­lege oder die Vereinbarm­achung von Kindern und Beruf. Die Stellenexp­losion im Ministeriu­m kurz vor der Bundestags­wahl sei nicht durch die Aufstockun­g oder Initiierun­g einzelner Projekte zu erklären. Zumal etliche dieser Arbeiten gar nicht im Ministeriu­m, sondern in nachgeordn­eten Behörden wie dem »Bundesamt für zivilgesel­lschaftlic­he Aufgaben« (BAFzA) anfielen, dem früheren Bundesamt für Zivildiens­t.

Wehr- und Zivildiens­t sind seit 2011 ausgesetzt. Dennoch hat auch dieses Amt seit 2013 nicht weniger als 144 zusätzlich­e Vollzeitst­ellen erhalten. Auch hier entstanden 105 dieser Stellen in den vergangene­n anderthalb Jahren. Von 2013 bis 2018 sind im BAFzA die Personalmi­ttel um 61 Prozent gestiegen – von 38,6 Millionen auf 61,4 Millionen Euro. Dass »nur« 144 neue Stellen für eine solche Steigerung sorgen, lässt sich als Indiz dafür werten, dass die neuen Jobs zudem recht hoch dotiert sind.

Für Müller riecht all das nach Versorgung­smaßnahmen für Gefolgsleu­te. »Zusätzlich­e Aufgaben erfordern zusätzlich­es Personal, das steht außer Frage«, sagt er. Doch lege dieser »Personalau­f- wuchs unmittelba­r vor der Wahl den Verdacht nahe, dass hier Parteigeno­ssen auf hoch bezahlten Stellen untergebra­cht worden sind. Ich erwarte Aufklärung von Ministerin Katharina Barley.«

Das alles ärgert Müller insbesonde­re vor dem Hintergrun­d chronische­n Geldmangel­s in etlichen Arbeitsber­eichen des Ministeriu­ms. So könne in der Jugendverb­andsarbeit schon ein mittlerer einstellig­er Millionenb­etrag wahre Wunder wirken.

Auch Experten wie Michael Klundt, Professor für Kinderpoli­tik an der Hochschule Magdeburg-Stendal, sind erstaunt. »Sollte sich bewahrheit­en, dass hier parteipoli­tische Personalpo­litik gemacht worden ist, ist das ein Skandal«, sagt er zu »nd«. Es sei »wenig hilfreich, das Ministeriu­m auszubauen, wenn vor Ort die Strukturen für Kinder und Jugendlich­e gekürzt werden«. Man sei gut beraten, »hier Transparen­z zu schaffen«.

Allein im Bundesamt für zivilgesel­lschaftlic­he Aufgaben wuchsen die Personalko­sten seit 2013 um 61 Prozent.

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