nd.DerTag

Kalkuliert­er DDR-Vergleich

René Heilig über einen Mann der deutschen Einheit, der die Gegenwart scheut

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»Die Türkei verhaftet willkürlic­h Leute und hält konsularis­che Mindeststa­ndards nicht ein.« Das erinnere ihn daran, »wie es früher in der DDR war«, sagte Minister Schäuble (CDU) der »Bild«-Zeitung. »Wer dort gereist ist, dem war klar: Wenn Dir jetzt etwas passiert, kann Dir keiner helfen.« Genau! So war das! Und das darf man nie vergessen. Es gab kaum einen Spiegel- oder ARDKorresp­ondenten, der nicht ohne Anklage im Stasiknast saß. Und kaum dass die Interzonen­züge Probstzell­a erreichten, waren die Passagiere vogelfrei. Bundesbürg­er auf der Transitaut­obahn hatten Angst, laut den Sender Freies Berlin zu hören. Gut, dass die Bundesrepu­blik die Milliarden­kredite kündigte und keine Waffen mehr lieferte und eigene Wirtschaft­sverluste hinnahm. Die unmissvers­tändliche Reaktion war nötig, angesichts des widerliche­n Bürgerkrie­gs, den das Ostregime gegen eigene Volksgrupp­en führte ...

Alles Unsinn? Klar. Natürlich war die DDR nicht das, was wir heute als Rechtsstaa­t preisen. Natürlich weiß auch Schäuble, der Unterhändl­er des Einheitsve­rtrages, dass der DDR-Vergleich – so wie die meisten historisch­en – in die Hose geht. Dennoch strengte er ihn an – statt das ewig enge (west-)deutsche Verhältnis zum NATO-Partner Türkei zu beleuchten. Das wäre eine Debatte über Demokratie und Wahrhaftig­keit wert. Gerade im Wahlkampf. Auch wenn das Thema Türkei-Kumpanei bislang nur wenige interessie­rt.

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