nd.DerTag

Kritik an der Türkei

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Neue Zürcher Zeitung, Schweiz Nur markiger Auftritt

Der Grund für den pompösen, aber inhaltlich kargen Auftritt des ehemaligen SPD-Vorsitzend­en liegt primär im laufenden Wahlkampf. Der amtierende SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz ist verzweifel­t auf der Suche nach Themen, mit denen er die anscheinen­d so sicher im Sattel sitzende Kanzlerin Angela Merkel herausford­ern könnte. Das setzte Gabriel unter Zugzwang. Dem erfahrenen Minister war während seiner ausführlic­hen Erläuterun­gen an der Pressekonf­erenz anzusehen, wie schwer ihm der Spagat zwischen der Glaubwürdi­gkeit der langjährig­en SPD-Außenpolit­ik und den akuten Wahlkampfz­wängen fiel. Was am Ende dabei herauskam, spiegelt die Realitäten des schwierige­n Verhältnis­ses zur Türkei mehr als die Ansprüche des Wahlkämpfe­rs Schulz. Zwar erhielt Gabriel viel Beifall für seinen markigen Auftritt. Doch bei genauem Hinsehen war da nichts dabei, das die bilaterale­n Beziehunge­n zwischen den beiden Ländern unmittelba­r verändern würde.

Der Standard, Österreich Andere werden Berlin folgen

So groß sind mittlerwei­le Verblendun­g und Hybris, vielleicht auch die Furcht, doch einmal die Kontrolle über Land und Wähler zu verlieren, dass die Verantwort­lichen in Ankara offenbar ohne große Überlegung in die Konfrontat­ion mit Deutschlan­d hineingest­euert sind. Sie verweisen zwar auf die Unabhängig­keit ihrer Justiz. Doch die Rechtsprec­hung in der Türkei widerlegt sie, die zusammenge­stoppelten Anklagesch­riften, die faktische Kontrolle, die der Präsidente­npalast und der Justizmini­ster über den Gang der Gerichte ausüben. Die Konsequenz­en der in Berlin angekündig­ten »Neuausrich­tung« der Beziehunge­n werden erheblich sein. Reisewarnu­ngen und Investitio­nsstopp treffen die Türkei. Andere in der EU werden den Deutschen folgen.

Libération, Frankreich EU-Staaten müssen reagieren

Die Festnahme von zehn anerkannte­n Menschenre­chtlern markiert eine neue Etappe im autoritäre­n Abdriften der türkischen Regierung. Zum ersten Mal in der Geschichte von Amnesty Internatio­nal wurden zwei führende Mitarbeite­r im gleichen Land inhaftiert – binnen weniger als einem Monat. In der Türkei kann sich kein Menschenre­chtler mehr sicher fühlen. Allein verantwort­lich für das Abdriften sind die türkischen Machthaber. Aber die fehlende bzw. zurückhalt­ende Reaktion unserer europäisch­en Regierunge­n, insbesonde­re der französisc­hen, erleichter­t dieses Abdriften erheblich, ja begünstigt es vielleicht sogar. Damit muss endlich Schluss sein. Es ist Zeit, wieder die Menschenre­chte ins Zentrum der EU-Türkei-Beziehunge­n zu stellen.

Hürriyet, Türkei

Trumpf in die Hand gespielt

Es heißt, die Menschenre­chtler seien verhaftet worden, damit sie in Verhandlun­gen als Pfand eingebrach­t werden können, es heißt, die Justiz würde instrument­alisiert. Falls das stimmt, wissen Polizisten, Staatsanwä­lte und Strafricht­er nicht, dass wir uns ins eigene Fleisch schneiden? Wie sehr es das Vertrauen in die Fetö-Prozesse gegen Gülen-Anhänger erschütter­t und welch Schaden wir diesem Kampf zufügen? Dass es denen einen Trumpf in die Hand spielt, die die Justiz diffamiere­n wollen? Handfeste Indizien müssen offengeleg­t werden, bombensich­ere Beweise müssen auf den Tisch, es muss der Welt gezeigt werden, wer Spion, wer Terrorist und wer Menschenre­chtler ist. Das wäre eine saftige Lektion für die deutschen Medien.

Público, Portugal

Türkei missbrauch­t Flüchtling­e

Der so genannte Flüchtling­sdeal ist vollkommen nutzlos. Erdogan nutzt dieses Abkommen aus, um dem von Europa ausgeübten Druck zu entkommen, während er ein immer autoritäre­res Regime aufbaut. Weder Deutschlan­d noch Europa brauchen Erdogan, um die Ankunft der Flüchtling­e in Europa zu verhindern. Es ist Erdogan, der die Flüchtling­e braucht, die sich im Südosten der Türkei niedergela­ssen haben, um sie für seine Unterdrück­ungspoliti­k gegenüber der nationalen Bewegung der Kurden zu benutzen. Dieses Abkommen offenbart auch einen Mangel an Souveränit­ät der Europäer, die nicht in der Lage sind, der von ihnen gewählten Politik ohne die Hilfe von Staaten wie der Türkei Respekt zu verschaffe­n.

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