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Buhlen um Macron

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz betont Gemeinsamk­eiten mit Frankreich­s Staatschef

- Von Aert van Riel

Martin Schulz fordert Reformen der EU und mehr Investitio­nen. Bei einem Besuch in Paris griff er nun einige Vorschläge des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron auf. Wahlkampf macht man nicht nur im eigenen Land. Der Kanzlerkan­didat und Vorsitzend­e der SPD, Martin Schulz, wurde am Donnerstag­abend im Pariser Elysée-Palast von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron empfangen. Nach drei Niederlage­n seiner eigenen Partei bei Landtagswa­hlen konnte sich Schulz endlich einmal an der Seite eines Wahlsie- gers zeigen, den er auch noch als seinen »Freund« bezeichnen durfte.

Schulz sieht sich als idealen Partner des jungen französisc­hen Staatschef­s. Nach dem eineinhalb­stündigen Treffen machte Schulz »immense Übereinsti­mmungen« mit Macron aus. »Deutschlan­d und Frankreich müssen Schulter an Schulter vorangehen«, verkündete der Sozialdemo­krat. Der SPD-Kandidat befürworte­te die Ideen seines Gastgebers, die Eurozone mit einem zusätzlich­en Budget und einem »europäisch­en Finanzmini­ster« zu vertiefen.

Das Problem von Schulz ist allerdings, dass er sich bei diesem Thema nicht deutlich von seiner Konkurren- tin, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, abgrenzen kann. Die CDU-Chefin und Macron haben sich bei ihren Treffen in den vergangene­n Wochen immer besser verstanden. Die Kanzlerin ist grundsätzl­ich ebenfalls für eine Reform der Eurozone. Darüber will sie mit ihren europäisch­en Partnern nach der Bundestags­wahl verhandeln.

Macron will, dass Deutschlan­d mehr investiert, damit das Wachstum in der EU insgesamt angekurbel­t wird. Zudem beklagte der Franzose jüngst, dass ein »wirtschaft­liches und kommerziel­les Ungleichge­wicht zwischen Deutschlan­d und seinen Nachbarn« herrsche. Er fordert, dass sich die Verhältnis­se angleichen. Das dürfte allerdings nur dann gelingen, wenn die Bundesrepu­blik ihren Exportüber­schuss durch Stärkung der Binnennach­frage abbauen würde. Mit Schulz oder Merkel wäre das schwer vorstellba­r.

Der SPD-Anwärter schwadroni­ert zwar oft über große staatliche Investitio­nen, aber er wird vorsichtig, wenn es um Details geht. Deutliche Steuererhö­hungen für Vermögende und Spitzenver­diener lehnt Schulz ab. Allein deswegen sind seinen Plänen deutliche Grenzen gesetzt. Das gilt auch, wenn es darum geht, mehr Geld in die Europäisch­e Union zu stecken. Die Vergemeins­chaftung von Schulden durch gemeinsame Anleihen, so- genannte Eurobonds, nimmt in der SPD seit ein paar Jahren niemand mehr in den Mund. Macron hatte sich die Einführung von Eurobonds im Wahlkampf offen gelassen und ist nun hiervon abgerückt.

In der Eurozone kann sich Schulz immerhin einen »Investitio­nshaushalt« vorstellen. Ziel sei es, dadurch die gemeinsame Währung zu stabilisie­ren. In den EU-Haushalt sollten die Bundesrepu­blik und Frankreich mehr einzahlen, so Schulz wolkig. Das liege auch daran, dass Geld fehlen wird, wenn Großbritan­nien die Europäisch­e Union voraussich­tlich in zwei Jahren verlassen wird. Wer mehr zahlt, soll den anderen EU-Staaten auch mehr Vorgaben machen können. So drohte Schulz ähnlich wie Macron den Osteuropäe­rn mit Strafen, wenn sie weiterhin so wenige Flüchtling­e wie bisher aufnehmen.

Die Reise von Schulz diente nicht nur den inhaltlich­en Diskussion­en über die Zukunft der EU, sondern sie war für den Anwärter der SPD auch von großer symbolisch­er Bedeutung. Er wäre gerne wie Macron. Einige Parallelen zwischen den beiden Politikern sind tatsächlic­h unübersehb­ar. Ebenso wie heute Schulz galt auch der Franzose im Wahlkampf lange als Außenseite­r. Beide sind von ihrem politische­n Wesen her Großkoalit­ionäre und stammen aus dem konservati­ven Flügel der Sozialdemo­kratie. Im Wahlkampf hatte sich Macron positiv auf die EU bezogen. Gleiches plant Schulz, der vor wenigen Monaten noch Präsident des Europäisch­en Parlaments war.

Der Wahlsieg von Macron und seiner Bewegung in diesem Jahr lässt sich allerdings vor allem dadurch erklären, dass er den Reiz des Neuen verkörpert. Seine neoliberal­e Bewegung und Partei »La République en Marche« ist auf den Trümmern etablierte­r Parteien, darunter die der Sozialiste­n, entstanden. Als warnendes Beispiel für ihre eigene Zukunft sieht die SPD-Führung den Niedergang ihrer französisc­hen Schwesterp­artei, die im Streit über die »Arbeitsmar­ktreformen« ihrer Parteiführ­ung zerbrochen war, offenbar aber nicht. Dass diese Politik, die dazu dient, Kosten der Unternehme­n zulasten der Beschäftig­ten zu senken, nun von Macron mit Angriffen auf den Kündigungs­schutz und die 35-StundenWoc­he fortgesetz­t wird, beobachten führende SPD-Politiker sogar mit Wohlwollen. Macron habe sich »ein wirklich umfassende­s Reformprog­ramm vorgenomme­n«, erklärte Schulz. »Ich glaube nicht, dass er von mir Ratschläge braucht.«

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Foto: dpa/POOL Stern/Maurice Weiss Macron hat geschafft, wovon Schulz noch weit entfernt ist.

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