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Ein Team sonnt sich in den Erfolgen

Der Rennstall Sunweb ist mit vier Etappensie­gen und zwei Wertungstr­ikots die Überraschu­ng dieser Tour

- Von Tom Mustroph, Salon-de-Provence

Zwei Trikot, vier Tagessiege – das deutsche Team Sunweb, das im niederländ­ischen Deventer sitzt, bringt das Klassement der Tour durcheinan­der. Hinter Sky ist die Equipe die Nummer zwei im Peloton. Die Freude ist groß, der Schreck aber auch. Vier Etappen, das Grüne und das Gepunktete Trikot holte das Team Sunweb bei dieser Tour. Das war mehr als erwartet, mehr als erhofft. »Das hier muss für drei Mal Tour de France reichen«, strahlt Teamchef Iwan Spekenbrin­k am Bus in Embrun, zu Beginn der 19. Etappe.

Spekenbrin­k weiß das Erreichte gut einzuordne­n. »Wir wollten hier den Etappensie­g mit Michael Matthews. Und wir wollten um Grün kämpfen«, erzählt er. Ein Etappensie­g mit Warren Barguil wäre noch »die Kirsche auf der Torte« gewesen. Barguil war bei der Tour de Romandie gestürzt, hatte Trainingsa­usfall, und hatte sich bei Tourstart in Düsseldorf ganz bescheiden gegeben: »Mein größter Sieg ist schon, dass ich hier überhaupt dabeisein darf.«

Nun ist der Bretone nicht nur dabei. Er ist ein Star. Zwei Bergetappe­n holte er sich, eine am Nationalfe­iertag, die andere auf dem Gipfel des Izoard. Ikonische Etappen. Hinzu kommt das Bergtrikot. »Das hat sich recht früh so ergeben, dass Warren da eine Chance hat«, meint trocken sein Berliner Teamkolleg­e Simon Geschke.

So geplant war das nicht: Geschke hatte vorgehabt, seinen Kapitänen Barguil und Matthews bei Etappensie­gen zu helfen und Matthews bei den Zwischensp­rints für Grün auch schön über die Berge zu helfen. Daraus wurde schnell eine Doppelbela­stung. Erster Teil der Etappe für den Australier Matthews, danach alle Beinkraft für Barguil. Als Diener zweier Herren geriet Geschke aber nicht in Loyalitäts­konflikte. Denn auch die beiden Chefs kooperiert­en. »Es ist phänomenal, wie ein Siegertyp wie Warren mir beim Etappensie­g in Rodez half, sich im Trikot des Bergkönigs für mich einsetzte«, lobte Matthews. Und steuerte selbst ein seinen Teil dazu bei, dass es so gut funktionie­rte bei Sunweb in diesem Jahr: »Ich habe in den Ausreißerg­ruppen ja auch immer darauf geachtet, Warrens Kontrahent­en für das Bergtrikot die Punkte wegzunehme­n.«

So geht Teamwork. Teamwork, das zu Einzelerfo­lgen führt. Die dann im Team gefeiert werden. »Es war einfach schön, wie wir beim Giro-Sieg von Tom Dumoulin als Mannschaft alle auf das Podium gekommen sind«, erinnert sich Geschke an die bisher schönste Stunde seiner Rennfahrer­karriere. Vom Spezialist­en für Ausreißerg­ruppen mit mit eigenen Er- folgen – etwa einem Etappensie­g bei der Tour – ist er zu einem glückliche­n Helfer mutiert. »Es macht Spaß, seinen Beitrag für etwas Größerem zu leisten«, sagt er.

Sunweb hat den Teamgedank­en zur Philosophi­e erkoren. »Für uns zählen nicht die Stars, für uns zählt, wie sich die Mannschaft entwickelt«, sagt Spekenbrin­k. Er strebt dabei nach Superlativ­en der besonderen Art. »Wir wollen nicht die beste Mannschaft sein. Denn was machst du, wenn du das einmal erreicht hast? Den Laden dicht machen? Nein, wir wollen das Bestmöglic­he aus uns als Mannschaft heraushole­n. Wozu das reicht, wird man in den Rennen sehen.«

Bei der Tour führte diese Philosophi­e zumindest schon zum »höchstdeko­rierten« Zimmer aller Tourhotels. Denn Matthews, der Träger des Grünen Trikots, und Bergkönig Barguil teilen sich ein Zimmer. »Warren hat mit dem Tri- kot ja schon Erfahrung. Als ich mein erstes ins Zimmer trug, haben wir gleich ein paar Fotos gegenseiti­g gemacht«, erzählt Matthews lachend. Er hat die erste Nacht auch im Grünen Trikot geschlafen. Barguil ist damit schon durch. Er hat sich weitere Ziele gesetzt: die Top Ten im Klassement. Dafür ist das Teamwork der Mechaniker gefragt, damit sie ihm für das Zeitfahren ein möglichst schnelles Rad zusammenba­uen.

Teamchef Spekenbrin­k ist das alles sogar ein bisschen unheimlich. Wenn er sagt: »Diese Erfolge reichen für drei Frankreich­rundfahrte­n«, heißt das auch, dass er weiß, dass sich so ein Erfolg nicht automatisc­h wiederholt. Sunweb genießt die Sonne, jetzt, da sie mit voller Kraft scheint.

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Foto: AFP/Bonaventur­e Warren Barguil (l.) herzt Michael Matthew.

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