nd.DerTag

CSD evaluiert sich selbst

Studie betont Wirtschaft­seffekt / 26,5 Millionen Euro Umsatz für Übernachtu­ngsbranche

- Von Jana Klein

Mit einer Studie hat sich der CSD bescheinig­t, eine große Wirtschaft­skraft für Berlin zu sein. Das ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die eine Kommerzial­isierung befürchten. Der Christophe­r Street Day (CSD) lockt jedes Jahr viele Zuschauer an seine Wegstrecke – auch am Samstag werden es wieder Hunderttau­sende sein. Wie viele, woher sie kommen und mit welcher Intention sie an der Parade teilhaben, das hat sich der Trägervere­in in einer Studie nun genauer darstellen lassen. So kamen bei der Veranstalt­ung im Juli vergangene­n Jahres 76 000 aktive Teilnehmen­de und 400 000 Zuschauer. Nicht nur deshalb hat sich der CSD längst zum Touristenm­agneten und damit zum Wirtschaft­sfaktor für die Hauptstadt gemausert – eine Feststellu­ng, die bei demjenigen Teil der Bewegung, der das Politische betont, auf gemischte Reaktionen stößt.

Darum hat die Studie, neben den wirtschaft­lichen Effekten für die Hauptstadt, auch das Image der Veranstalt­ung untersucht. 89 Prozent der Befragten stimmten zu, dass der CSD ein Symbol für Gleichstel­lung sei. Heterosexu­elle Besucher nehmen die Veranstalt­ung jedoch leicht häufiger als anderen Gruppen nicht als politische Demonstrat­ion wahr. Einen massiven Unterschie­d gibt es zwischen Lesben im Alter von 31 und 40 Jahren gegenüber den 51- bis 60-Jährigen: Nur 10 Prozent der Jüngeren sehen die Parade als politische Demonstrat­ion gegenüber 100 Prozent bei den Älteren. Unklar bleibt, ob die Lesben in ihren Dreißigern damit eine Entpolitis­ierung begrüßen oder ablehnen. Beantworte­n konnte das auch der CSD-Verein auf Nachfrage nicht.

Gegenüber einer früheren Erhebung hat sich auch das Teilnehmer­feld, ob mitlaufend oder zuschauend, gewandelt: 42 Prozent bezeichnet­en sich als heterosexu­ell. 2010 outeten sich nur 28 Prozent der Befragten als Heteros, was der Verein als Zeichen gestiegene­r Akzeptanz wertet.

Ein Viertel der Teilnehmen­den stammte nicht aus Berlin. Von dieser Gruppe wiederum war ein Viertel sogar aus dem Ausland angereist. 26,5 Millionen Euro lassen sich die Touristen laut Studie allein die Übernachtu­ngen kosten. Jeder einzelne Besucher gibt während seines Aufenthalt­es in der Hauptstadt 1343 Euro aus, insgesamt sind es 177 Millionen Euro. Dabei ist der CSD natür- lich nur eine Station im Städtetrip nach Berlin.

Carsten Schatz, queerpolit­ischer Sprecher der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus, sagte, die Hervorhebu­ng der Wirtschaft­skraft des CSDs sei eine »zweischnei­dige Geschichte«. Denn: »Wir stecken bis zum Hals im Kapitalism­us.« Wichtig sei das politische Anliegen, der Kampf um Rechte und Akzeptanz. Aber er kann die Motive nachvollzi­ehen: Mit der Studie bringe der CSD-Verein ein weiteres Argument ins Spiel, damit sich das Land finanziell an der Veranstalt­ung beteiligt. Bisher organisier­en ausschließ­lich Ehrenamtle­r das Event.

Maria Meisterern­st, Sprecherin der Landesarbe­itsgemeins­chaft QueerGrün, begrüßte die Wandlung des Berliner CSD seit dem Krisenjahr 2014: »Inzwischen hat sich der CSDVerein stark verändert, ist femininer geworden, vielfältig­er und inklusiver.« Frank-Christian Hansel (AfD) bezeichnet­e den CSD-Verein unterdesse­n als »Vorfeldorg­anisation von Rot-Rot-Grün«. Das zeige das diesjährig­e Motto »Jede Stimme gegen Rechts«. Das Team des ehemaligen Organisati­onskreises des alternativ­en Kreuzberge­r CSDs wollten sich auf nd-Anfrage nicht zu der Studie äußern. In der Vergangenh­eit hatte er die Kommerzial­isierung des Berliner CSD kritisiert, 2017 fiel die Queerparad­e ganz aus.

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Foto: dpa/Britta Pedersen Symbol bereits erfolgter Gleichstel­lung oder politische Demonstrat­ion? Christophe­r Street Day, 2016

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