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Kommunen fahren auf Verschleiß

Thüringen: Zahlt das Land zu wenig – oder ist Kleinteili­gkeit der Gemeinden das Problem?

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Der Streit um Zahlungen des Landes Thüringen an die Kommunen schwelt seit Jahren. Nun ist der Konflikt wieder entbrannt. Die Kommunen verweisen auf ihre mangelnde Investitio­nskraft.

Erfurt. Thüringens Städte, Gemeinden und Kreise stecken immer weniger Geld in Investitio­nen. Ihre Ausgaben dafür seien von 740 Millionen Euro im Jahr 2010 auf nun 534 Millionen Euro zurückgega­ngen, sagte der Geschäftsf­ührer des Thüringer Landkreist­ages, Thomas Budde. »Die Kommunen werden auf Verschleiß gefahren. Für Investitio­nen fehlt das Geld.« Die Forderung des Landkreist­ages nach Zahlung einer Investitio­nspauschal­e durch das Land sei von der rot-rot-grünen Regierung nicht erfüllt worden. »Das ist enttäusche­nd für uns«, so Budde.

Der Geschäftsf­ührer einer der beiden kommunalen Spitzenver­bände reagierte damit auf den Entwurf des Finanzausg­leichsgese­tzes, das die jährlichen Zahlungen des Landes an die Kommunen regelt. Er wurde in dieser Woche von Landesinne­nminis- ter Holger Poppenhäge­r (SPD) vorgestell­t und soll voraussich­tlich Ende August dem Landtag zur Entscheidu­ng vorgelegt werden. Danach sollen die Kommunen 2018 und 2019 jeweils rund 1,97 Milliarden Euro aus der Landeskass­e erhalten – laut Minister 66 Millionen Euro mehr im Vergleich zu 2017.

Damit werde die Ausgabenst­eigerung, die die Kommunen abzudecken hätten, in den nächsten beiden Jahren längst nicht ausgeglich­en, sagte Budde. Er bezifferte die Mehrausgab­en der Kommunen durch höhere Kosten auf etwa 130 Millionen Euro jährlich. Letztlich müssten die Kommunen bei Investitio­nen knapsen.

Der kommunalpo­litische Experte der LINKEN im Thüringer Landtag, Frank Kuschel, sprach ebenfalls von einer Investitio­nsschwäche der Kommunen. Trotz seit Jahren steigender Einnahmen und Ausgaben würden die Investitio­nen zurückgehe­n. »Dadurch entsteht zwangsläuf­ig ein Investitio­nsstau.« Die Infrastruk­tur werde schlechter. Im Gegensatz zu den kommunalen Spit- zenverbänd­en sieht Kuschel die Ursache dafür jedoch in der Kleinteili­gkeit der Thüringer Kommunen. Derzeit gibt es nach Zahlen des Innenminis­teriums 709 Gemeinden mit Frank Kuschel, LINKE weniger als 3000 Einwohnern im Land. »Wir brauchen dringend eine Verwaltung­soptimieru­ng durch eine Gebietsref­orm«, sagte Kuschel. Bei einer effiziente­ren Verwaltung könnte Geld in Investitio­nen umgeschich­tet werden. Nach dem jetzt vorliegend­en Urteil des Verfassung­sgerichts und auch angesichts der anstehende­n Pensionier­ungswelle in der öffentlich­en Verwaltung Thüringens sollte die Chance auf eine große Strukturre­form nicht ungenutzt bleiben, so Kuschel. »Rechtlich wäre eine Gebietsref­orm noch umsetzbar, wenn wir spätestens im September in das Gesetzgebu­ngsverfahr­en einsteigen«, so Kuschel.

Neue Kreisstruk­turen müssen vor der turnusmäßi­gen Neuwahl der Landräte im kommenden Jahr geschaffen sein. Ihre Amtszeit läuft Mitte 2018 aus. Wenn noch in den alten Kreisstruk­turen gewählt würde, wäre eine Kreisrefor­m eigentlich nicht vor Ende ihrer Amtszeit 2024 möglich. Die Regierungs­koalition von LINKE, SPD und Grünen will nach Angaben von Innenminis­ter Poppenhäge­r Mitte August über Tempo und Umfang des derzeit ruhenden Reformproj­ekts entscheide­n.

Kuschel sieht im neuen Finanzausg­leichgeset­z auch einen Anreiz für Kommunen, sich zu größeren Gemeinden und Städten zusammenzu­schließen. Nach einem Gutachten im Auftrag des Innenminis­terium haben mittlere Städte mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern einen höheren Finanzbeda­rf als bisher. Sie sollen ab 2018 zwischen drei und zehn Prozent höhere Zuschüsse pro Einwohner vom Land erhalten als bisher.

»Wir brauchen dringend eine Verwaltung­soptimieru­ng durch eine Gebietsref­orm.«

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