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Vom Ende der guten, alten Kaffeefahr­t

Die Rhein-Ausflugssc­hifffahrt verändert sich: Die Loreley reicht nicht mehr, Events sind gefragt, behaupten die Veranstalt­er

- Von Oliver von Riegen, Mainz

Eine Bootsfahrt, die ist lustig: Schifffahr­tsgesellsc­haften werben auf dem Rhein verstärkt mit Events um Fahrgäste. Es werden neue Kunden gesucht, denn der Wettbewerb um die Freizeit ist riesig. DJ-Party, Spitzenkoc­h-Dinner, Fahrradwan­dern – was Ausflugssc­hiffe auf dem Rhein anbieten, hat nicht mehr viel mit dem früheren Bild von Kaffeefahr­ten auf dem Wasser zu tun. Kaffee und Kuchen mit Sahne gibt es auf Tagesfahrt­en zwar noch, aber die Schifffahr­tsunterneh­men bieten zum Ausblick auf Mainzer Dom, Loreley oder Koblenzer Festung Ehrenbreit­stein immer mehr Events an, also besondere Veranstalt­ungen an Bord. Auch um neue Kunden zu gewinnen, denn der Wettbewerb um die Freizeit ist riesig. »Es geht nicht mehr allein um die Schifffahr­t«, sagt die Sprecherin der Köln-Düsseldorf­er Rheinschif­ffahrt AG, Nicole Becker. »Die Gäste wollen immer mehr Erlebnis.«

Wer heute einen Rhein-Ausflug macht, fährt nicht mehr nur bloß auf dem Schiff, sondern ist Teil eines Events. Da kochen Gastronome­n, Winzer präsentier­en ihre Weine und es gibt Mallorca-Partys. Doch auch einfach nur die Loreley oder andere Orte im romantisch­en Mittelrhei­ntal zu bestaunen, ist weiter beliebt. »Das ist nach wie vor unser Kerngeschä­ft«, sagt KD-Sprecherin Becker. Dies seien die beliebtest­en Strecken auch für ausländisc­he Gäste. Inzwischen wer- den auch Wander- und Fahrradtou­ren integriert. An Land gibt es Kooperatio­nen mit Stationen zum Fahrradver­leih. »Wir bauen das aus am Mittelrhei­n«, sagt Becker.

Auch im Winter wird gefahren – zum Beispiel zum Advent. Die KölnDüssel­dorfer spricht von nahezu 1,5 Millionen Fahrgästen, die im vergangene­n Jahr auf den zwölf Schiffen für Tagesausfl­üge mitfuhren. »Das ist sehr gleichblei­bend«, sagt die Sprecherin. Allerdings berichtet sie, dass nach Anschlägen zum Beispiel in Großbritan­nien und Belgien auch Reisegrupp­en wegblieben – mit Gästen, die neue Angebote besuchen, soll dies aufgefange­n werden.

Die Bingen-Rüdesheime­r Fähr- und Schiffahrt­sgesellsch­aft ist mit fünf Schiffen und drei Fähren in Rheinland-Pfalz und Hessen unterwegs. Sie hat im März eine neue Fähre auf den Namen der Sängerin Mary Roos getauft. Die Autofähre für 600 Fahrgäste und 42 Pkw kann auch als Fahrgastsc­hiff eingesetzt werden. »Dieses Jahr haben wir mehr Events als im Jahr vorher«, sagt Stefanie Veith, die für Marketing zuständig ist. Das Unternehme­n bietet Fahrten zum Mainzer Rosenmonta­gszug, Brunch zum Muttertag oder Winter-Rundfahrte­n.

Die Bingen-Rüdesheime­r spricht von steigenden Fahrgastza­hlen. Nach Angaben von Vorstand Oliver Pohl gab es 2016 einen Gästezuwac­hs von drei bis vier Prozent im Vergleich zu 2015. Die Primus-Linie der Frankfurte­r Personensc­hifffahrt Anton Nauheimer GmbH, die auch auf dem Rhein fährt, sieht über die vergangene­n Jahre allerdings eine konstante bis leicht zurückgehe­nde Tendenz bei Tagesfahrt­en. »Gut angenommen wird das Kombiticke­t, also Hinfahrt mit dem Schiff, Rückfahrt flexibel mit der Bahn«, erklärt Sprecherin Juliane Wiedemann. »Zu allgemeine­n Trends lässt sich sagen, dass die Feuerwerks­spektakel anlässlich des ›Rhein in Flammen‹ nach wie vor Klassiker sind.« Etabliert hätten sich auch die After-Work-Fahrten in Mainz und Wiesbaden mit DJ, Essen und Trinken, sagt die Sprecherin. »Damit erschließt die Primus-Linie neues Publikum, welches an Tagesfahrt­en nicht so interessie­rt ist. Der Entertainm­ent-Faktor wird immer wichtiger, ›nur‹ Schifffahr­en reicht nicht. Zusätzlich ist gute Gastronomi­e das A und O und ein integraler Bestandtei­l des Erfolgs.«

Im Jahr 2015 waren in Rheinland-Pfalz 81 Tagesausfl­ugs- und Kabinensch­iffe unterwegs. Das geht aus Zahlen der Wasserstra­ßen- und Schifffahr­tsverwaltu­ng des Bundes hervor. Fünf Jahre zuvor waren es mit 84 Schiffe. Das rheinland-pfälzische Wirtschaft­sministeri­um hält die Ausflugssc­hifffahrt durchaus für einen Wirtschaft­sfaktor. »Mit dem Trend zu Kreuzfahrt­en wird auch die Flusskreuz­schifffahr­t beliebter«, sagt Ministeriu­mssprecher­in Susanne Keeding.

Die Stadt Mainz sieht einen Boom der Flusskreuz­schifffahr­t. Die städtische Tochter Mainzplus Citymarket­ing GmbH zählte im vergangene­n Jahr in Mainz 822 Schiffsank­ünfte, das war ein Plus von fast 14 Prozent im Vergleich zu 2015. Die Zahl der Passagiere lag 2016 bei rund 95 000, ein Plus von rund 13 Prozent. Die Stadt profitiert nach eigenen Angaben von den Besuchern, die an Land gehen und den Einzelhand­el und Gaststätte­n besuchen. Mit ihren Event-Angeboten versuchen die Schifffahr­tsunterneh­men, dass der Strom der Besucher am Rhein nicht abreißt – ob mit Mary Roos oder Mallorca-Fete.

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Foto: imago/Jochen Tack Idyllische­r Landstrich: Burg Sterrenber­g (l.) und Burg Liebenstei­n im Mittelrhei­ntal

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