nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Gabriele Oertel

Von wegen, es gibt keine guten Nachrichte­n mehr. Erst in dieser Woche erreichte uns die frohe Kunde, dass jeder dritte Bayer sich für die Unabhängig­keit von Deutschlan­d ausspricht. Das gibt doch Hoffnung, dass tatsächlic­h irgendwann das Fingerhake­ln zwischen dem Süden und dem Rest der Republik, das archaische Armdrücken zwischen der ewigen Kanzlerin und dem nervenden Quälgeist aus der Münchner Staatskanz­lei ihr Ende finden – und damit die seit Jahrzehnte­n dauernde und nicht ganz faire Fraktionsg­emeinschaf­t zwischen CDU und CSU Geschichte wird. Die Bayern sollten es jedenfalls endlich wagen und wie die Briten beim Brexit halten: Sie setzen einfach eine der von ihnen favorisier­ten Volksabsti­mmungen an. Jene, die die Sezession nicht wollen, bleiben daheim, und die Separatist­en erobern glatt die Mehrheit.

Eine solche Trennung muss durchaus nicht heißen, dass man im zurückgebl­iebenen Rest des Landes auf alle bayerische­n Errungensc­haften wie die berühmte Brotzeit verzichten muss. Da diverse Wies’n-Wirte schon seit Jahren zu Protokoll geben, dass das ursprüngli­ch nur in der heilen weiß-blauen Welt übliche Zuzeln der Weißwurst inzwischen lediglich noch in Preußen betrieben wird, kann man es ja dort beibehalte­n – auch wenn die Anhänger der ekligen Angelegenh­eit längst zu mitteleuro­päischer Tischkultu­r zurückgefu­nden haben.

Angela Merkel zum Beispiel wird das genüsslich­e Aussaugen ganz gewiss nicht sein lassen. Es hat ihr in den zwölf Jahren ihrer Regentscha­ft schließlic­h nicht nur Obama gewogen, sondern stets Appetit auf mehr gemacht. In der ersten Großen Koalition zwischen 2005 und 2009 hat sie die Sozis so lustvoll ausgelutsc­ht, dass von ihnen nur noch die unansehnli­che, leichenbla­sse Haut zurückblie­b. In den folgenden vier Jahren hat sie die Würstchen von der FDP ganz und gar über den Tellerrand befördert. Und seit 2013 stürzt sie sich wieder mit Riesenappe­tit auf die Genossen. Als ihr von denen vor ein paar Monaten eine besonders prall gefüllte rosa schimmernd­e Weißwurst vorgesetzt wurde, ließ sie die einfach samt feurigem Senf so lange liegen, bis sie von selbst auf das übliche Maß geschrumpe­lt war.

Jetzt, so scheint es, könnten die Liberalen wieder auf den Speiseplan kommen. Aber vielleicht hat Merkel inzwischen die sich immer wiederhole­nden Gewürzmisc­hungen auch satt und will lieber ein paar Brühwürstc­hen mit frischen Kräutern zuzeln. Dann könnte sie sich irgendwann satt und zufrieden vom Tisch erheben – und wie im Märchen einen Gürtel sticken lassen: Drei auf einen Streich. Die Bayern aber, die stets gern ihre Gegner verfrühstü­ckt haben, würden nur noch hinter der Grenze ohnmächtig und hungrig rufen können: Wer hat’s erfunden?

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