nd.DerTag

Eigentlich überflüssi­g

Jürgen Amendt über das Erfolgsgeh­eimnis der privat finanziert­en Nachhilfe

-

Erinnern Sie sich noch? Es ist gut 15 Jahre her, es regierte noch Rot-Grün und irgendwie war – trotz Agenda 2010 und den drohenden Hartz-IV-Gesetzen – ein wenig Aufbruchst­immung in der Republik. Die SPD stellte mit Edelgard Bulmahn noch die Bundesbild­ungsminist­erin und die verkündete, man werde jetzt die Schulen in Deutschlan­d von Halbtags- zu Ganztagsei­nrichtunge­n ausbauen. Privater Nachhilfeu­nterricht werde damit überflüssi­g, denn an den Ganztagssc­hulen werde der Unterricht so sein, dass Kinder individuel­l gefördert würden.

Einige Legislatur­perioden später ist von dem Verspreche­n nicht viel geblieben. Zwar gibt es mittlerwei­le eine Vielzahl von Ganztagssc­hulen, doch die meisten Einrichtun­gen bieten kaum mehr als Nachmittag­sbetreuung. Hausaufgab­en gibt es immer noch, und spätestens in den weiterführ­enden Schulen geht es vielfach nicht mehr ohne Nachhilfe.

Das größte Problem aber ist nicht strukturel­ler Art. Selbst eine Ganztagssc­hule mit einem sehr guten pädagogisc­hen Angebot kann eine systemisch­e Ursache nicht beheben: Viele Schüler erhalten selbst bei guten Noten zusätzlich privat finanziert­en Unterricht. Spätestens am Ende der Grundschul­zeit haben die bildungsaf­finen Eltern gemerkt, dass Nachhilfe die Chancen des Nachwuchse­s auf einen Schulplatz am nachgefrag­ten Gymnasium mit dem schmucken, nach höherer Bildung klingenden Namen erhöht. Diese Schulen verspreche­n auf ihrer Website eine »exzellente, profession­elle Betreuung« und werben mit den vielen Einser-Abiturient­en. Der noch bei der Einschulun­g der Kinder auswendig aufgesagte Hauptsatz der Reformpäda­gogik, dass in der Schule kein Kind zurückgela­ssen, beschämt oder einem Leistungsw­ettbewerb ausgesetzt werden darf und jedes individuel­l gefördert werden soll, ist dann vergessen, wenn es um die Sicherung des Distinktio­nsmerkmals Gymnasium geht. Dass ist das Erfolgsgeh­eimnis der privaten Nachhilfei­nstitute.

Newspapers in German

Newspapers from Germany