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Rechtsextr­emismus-Studie offline

Ostbeauftr­agte wirft den Autoren nach Monaten »unentschul­dbare Schlampere­i« vor

- Von Florian Haenes

Lange hatte die Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung eine Studie zum Rechtsextr­emismus gegen Kritik verteidigt. Nun distanzier­t sie sich überrasche­nd. Die Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung, Iris Gleicke (SPD), hat sich am Donnerstag von einer Rechtsextr­emismus-Studie des Göttinger Instituts für Demokratie­forschung distanzier­t. Die Untersuchu­ng war von Gleicke selbst in Auftrag gegeben und bislang gegen zum Teil heftige Kritik verteidigt worden. In einem Brief an das Forschungs­institut, der dem »nd« vorliegt, wirft sie den Wissenscha­ftlern nun »unentschul­dbare Schlampere­i« vor.

Ihr Vorwurf: Nicht belegbare Aussagen sollen als Tatsachen dargestell­t worden sein. Die Kritik richtet sich offenbar gegen eine Textpassag­e, in der ein Befragter behauptet, Mitglieder der Erfurter CDU würden auf Demonstrat­ionen der AfD auftreten, zudem würde ein CDU-Stadtrat offen rechtsextr­eme Positionen vertreten. Die Aussage über den Erfurter CDU-Stadtrat ist in der Studie allerdings eindeutig als Zitat gekennzeic­hnet. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium, dem das Büro der Ostbeauftr­agten angegliede­rt ist, wollte auf Anfrage nicht bestätigen, dass es sich bei dieser Textpassag­e um den Gegenstand des Vorwurfs handeln.

Der namentlich genannte Stadtrat ist in einer aktualisie­rten Fassung anonymisie­rt worden. Gleicke kritisiert jedoch, die Neufassung erhalten zu haben, ohne vom Institut über die Änderungen im Einzelnen informiert worden zu sein. Dieser Darstellun­g widersprac­h das Institut gestern in einer Mitteilung – die Ostbeauftr­agte sei über die Änderung in Kenntnis gesetzt worden.

Weder die ursprüngli­che noch die aktualisie­rte Version der Stu- die ist derzeit auf der Internetse­ite der Ostbeauftr­agten abrufbar. Gegenüber »neues deutschlan­d« erklärt das Wirtschaft­sministeri­um, vom Institut selbst gebeten worden zu sein, die Studie nicht länger zu verbreiten.

In der Studie hatten die Autoren in einzelnen Regionen in Ostdeutsch­land eine historisch gewachsene Neigung zu Fremdenfei­ndlichkeit festgestel­lt. Nach der Veröffentl­ichung im Mai löste die Studie Kontrovers­en aus. Der sächsische CDU-Generalsek­retär Michael Kretschmer kritisiert­e, dass die Autoren unzulässig­e Schlüsse über Ostdeutsch­land zögen, und bezeichnet­e die Studie als unwissensc­haftlich. Die Zeitung »Die Welt« warf den Autoren vor, Gesprächsp­artner erfunden zu haben. Es stellte sich später jedoch heraus, dass die Autoren Gesprächsp­artner mit Aliasnamen versehen hatten, ohne dies im Text kenntlich zu machen. Die Autoren sprachen von einer Kampagne.

Bisher hatte Gleicke die Studie gegen Kritik verteidigt. Ihre Neueinschä­tzung begründet das Ministeriu­m damit, dass man die falsche Tatsachenb­ehauptung erst später entdeckt habe. Man prüfe, die Kosten der Studie in Höhe von 130 000 Euro vom Institut zurückzufo­rdern.

Das Institut warf dem Ministeriu­m indes vor, sich aus Gründen des Wahlkampfe­s »überstürzt davon zu machen«.

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